Pusha T – DAYTONA

by on 29. Mai 2018 in Album

Pusha T – DAYTONA

Qualität statt Quantität: Zum Auftakt der Kanye-Festspiele 2018 (rund um sein eigenes kommendes achtes Studioalbum, Kids See Ghosts, Nas‚ neue Platte sowie Teyana Taylors Zweitwerk)  produziert Ye seinem G.O.O.D. Music-Präsidentenkumpel Pusha T mit DAYTONA ein an Prägnanz kaum zu übertreffendes Meisterstück auf den Leib.

Dafür benötigt das kongeniale Duo gerade einmal sieben Songs über die kompakte Spieldauer von 23 Minuten. Zum Vergleich: Pusha Ts EP [amazon_link id=“B0058RN84A“ target=“_blank“ ]Fear of God II: Let Us Pray[/amazon_link] machte es seinerzeit noch exakt eine Dreiviertelstunde, während das fantastische [amazon_link id=“B018W7C9EM“ target=“_blank“ ]King Push – Darkest Before Dawn: The Prelude[/amazon_link] bereits in knapp einer halben Stunde alles gesagt hatte.
Es ist dabei aber wohl nicht nur so ein Trend-Ding, Platten von der praktischen Länge eines Kurzformates als offizielle Alben firmieren zu lassen – man frage aktuell beispielsweise nur etwa Trentsuck my entire cockReznor – sondern in Zeiten überquellender Mixtapes auch gerade im Hip Hop eine durchaus begrüßenswerte Gegenreaktion zu all den schlecht selektierter Streaming-Werke. mit überquellenden Tracklisten. „DAYTONA represents the fact that I have the luxury of time. That luxury only comes when you have a skill set that you’re confident in“ erklärt Pusha T und verschwendet folgerichtig auch keine Sekunde des Hörers.

Die grundlegende Erkenntnis von DAYTONA ist derweil eine andere, altbekannte eigentlich: Kanye ist ein Genie der Inszenierung.
Einerseits in marketingtechnischer Hinsicht: Das ursprünglich angedachte dritte Pusha T-Studioalbum King Push ist durch die Intervention von West nach langer Verzögerung gleich vollends gekappt worden. Eine illustre Produzentenriege rund um The Neptunes lieferte nicht nach den Vorstellungen des megalomanischen Polarisierers ab, woraufhin der alles vorhandene Material über den Haufen warf und selbst die alleinige Kontrolle im Regieraum übernahm. Als wäre DAYTONA durch diesen Coup nicht bereits per se eine gestiegene Aufmerksamkeit sicher gewesen, änderte Kanye wenige Tage vor dem Release auch gleich noch eigenständig das Artwork: Für $85,000 Dollar lizensierte er ein Bild von Whitney Houstons Badezimmer zur Hochphase ihrer Drogenabhängigkeit. Eine Entscheidung, die nicht nur Bobby Brown als „really bad taste“ kritisierte. Aber eben verdeutlicht, dass West weiß, wie man einen Buzz der Extraklasse kreiert und Veröffentlichungen medienwirksam in Szene setzt.

Und zu anderen ist da dann eben folgerichtig auch die musikalische Seite, die Kanye einmal mehr als Meister seines Fachs auszeichnet. DAYTONA ist ein produktionstechnisch makelloses Zeugnis formvollendeter Studiokunst, das seine Skills mit einem neuen Faible für zurückhaltenden Minimalismus an die gefühlvollen Retro-Zitierwut der ersten drei West-Soloalben anlehnt, sich aus leger ausgegrabenen Soul- und R&B-Versatzstücken speist. Beats und Samples arbeiten mit einem unangestrengten Oldschool-Vibe im nahtlosen Fluss; geschmeidig und dann wieder spannungsgeladen packend, akribisch und doch auch entspannt aus der Hüfte geschossen. Jeder Track geht sofort ins Ohr, bleibt durch das Hervorheben gewisser Hooks und schmissiger Momente auch hartnäckig, ohne penetrante Pop-Anbiederungen nötig zu haben oder Details auszusparen.
Und freilich: Ohne den adäquaten Hauptdarsteller wäre das alles wenig wert. Doch Pusha T liefert wie gewohnt ab, rappt technisch sauber und mit akkurater Prägnanz stets extrem klar auf den Punkt, auch wenn er sich inhaltlich nur selten über seine Gangster-Vergangenheit und drogenvertickenden Heydays hinauswagt. Er tut dies aber mit einer zum musikalischen Backdrop perfekt passenden Definition und Wortgewandheit.

Ausfälle sucht man auf dem seine Synergien nutzenden DAYTONA deswegen vergeben. Die Platte bleibt zwar gefühltermaßen mehr eine unvollendete Songsammlung, als ein tatsächlich rundes, restlos befriedigend entlassendes Album (dafür hätte vielleicht einfach nur das aus der Trackliste geflogene Sociopath vorhanden bleiben müssen), doch bringt es seine sieben Stücke eben auch wie aus einem kohärenten Guss zusammen.
If You Know You Know baut auf den Sekundenbruchteil von Twelve O’Clock Satanial (Air), eine Achtel-Hi-Hat täuscht Trap an, doch ein smooth relaxter Sommerbeat spricht catchy über allerlei Insider-Referenzen zur altgedienten Fanbase, pirscht lyrisch durch die üblichen Dealergegenden. Der Track bezieht seine Eingängigkeit auch aus der Repetition – ein Muster, das DAYTONA immer wieder einsetzt.
In The Games We Play sampelt Heart ‚N Soul (Booker T. Averheart) mittels eines stockenden Rhythmus, mehr noch der lässigen Gitarre sowie subtilen Bläsern eine aus der Zeit gefallene Nostalgie, verbeugt sich vor Jay-Z, Reakwon und Ghostface Killah: „To all of my young niggas, I am your Ghost and your Rae/ This is my Purple Tape, save up for rainy days„. Hard Piano drückt die Dichte und Stimmung danach mit schnipsenden Piano weiter ins düstere, der Chorus (gesungen von Kanyes Cousin The World Famous Tony Williams) schafft es, eine pathetische beschwörende Größe homogen einzufügen – selbst MMG-Boss Rick Ross stört als Feature nicht.

In seiner zweiten Hälfte legt DAYTONA sogar noch nach. Die Kokain-Hymne Come Back Baby ist ein smarter Hit, der von seiner Dualität lebt. „All my dopeboys, we like kinfolk/ BMore burnt spoon, DC glass pipe/ VA sent bales, ‚bout that trap life/ Blew through thousands, we made millions/ Cocaine soldiers, once civilians/ Bought hoes Hondas, took care children/ Let my pastor, build out buildin’s/ Rapped on classics, I been brilliant/ Now we blend in, we chameleons, ahh!“ Der Beat dropt zum knapp über Bodenhöhe vibrierenden Subbass und switcht (etwas zu freigiebig) zum grandios aufgehenden Sample von George Jacksons I Can’t Do Without You. Classic „Old Kanye„!
Das ansatzlos übernehmende Santeria verarbeitet dagegen den Tod von Pushs altem Manager De’Von “Day Day” Pickett. „Now that the tears dry and the pain takes over/ Let’s talk this payola/ You killed God’s baby when it wasn’t his will/ And blood spill, we can’t talk this shit over/ The Lord is my shepherd, I am not sheep/ I am just a short stone’s throw from the streets/ I bring my offerin‘, I will not preach/ Awaken my demons, you can hear that man screaming/ I’m no different than the priest, priest!“ Psychedelischer dängelt der Track über die sediert fiebrige Stimmung,
der spanischsprachige Refrain von 070 Shake lüftet das sinistre Flair.
What Would Meek Do hat dann zwar nicht (wie eigentlich geplant) Häfenbruder Meek Mill selbst im Schlepptau, dafür aber Kanye am Mikro – ein gegenseitiges Bauchpinseln mit Spott für all die „niggas talkin‘ shit„, bevor das abschließende Infrared explizit (und mit Folgen) Drake den Finger zeigt, vor allem aber noch einmal die so reduzierte Effektivität der Platte unterstreicht: Hier sitzt jedes Element an seinem Platz, ist kein Gramm fett zuviel. Die Messlatte für Kanyes kommende Projekte liegt nunmehr jedenfalls verdammt hoch.

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