Pure Love – Anthems
Ex-Gallows Schreihals Frank Carter und der ehemalige The Hope Conspiracy Gitarrist Jim Carroll haben keine Lust mehr auf Hardcore. Aber dass ihnen deswegen gleich der Sinn nach handzahm düdelnden Rocksongs steht, die auf halben Weg zum Stadion im Formatradio versumpfen?
„I’m so sick of singing about hate/It’s never gonna make a change“ also. Carter überlässt seiner ehemaligen Band mit neuem Sänger die Aufgabe Aggressionen zu verarbeiten, während der passionierte Tätowierer seinen Frieden im handzahmen Poprock gefunden hat. Warum dem ehedem permanent Gift und Galle spuckenden Wahl-New Yorker das Gallows-Korsett zu eng geworden sein muss führt ‚Anthems‚ dabei nur zu gerne vor: der Mann weiß mit seinem Organ abseits blutendender Stimmbänder zielsicher umzugehen, hat eine kraftvollen, gallig in die große Geste strebenden Gesang auf Lager, der derart breitbeinig posendem Rock als weniger rauchige Alternative zum jungen Tom Gabel natürlich extrem schick steht und über kurzweilige 36 auf potentiell vielversprechenden Boden fällt. Wirklich spannender wird ‚Anthems‚ dadurch aber leider nicht.
Alles eitel Wonne auf elf Songs, die allesamt der titelgebenden Vorgabe nur zu gerne Folge leisten würden, jedoch ausnahmslos im Vorprogramm der wirklich großen Stadiontiere zwischen gepflegter Langeweile und beiläufiger Gefälligkeit verpuffen. Dabei ist aufgefahrene Programm das durchaus ambitioniert. Wie das flotte ‚The Hits‚ oder der sommerlich schunkelnde ‚Beach of Diamonds‚ den Popausflug des zweiten Head Automatica-Albums mit allem kreuzt, was man schon auf ‚White Crosses‚ von Against Me! anbiedernd finden konnte. Oder wie ‚Bury My Bones‚ dick geschwollene Hardrock-Riffs auspackt, die The Darkness nicht auf ihrem Comeback verwenden wollten. Selbst dass Pure Love in ‚She (Makes the Devil Run Through Me)‚ oder ‚Riot Song‚ Richtung geselligem Punkrock, Bruce Springsteen und Frank Turner stieren und dabei vieles allzu plump anfassen, was The Gaslight Anthem auch im Scheinwerferlicht richtig machen, lässt ‚Anthems‚ zu keinem wirklichen Ärgernis werden. Denn eingängig und wirklich nett ist das trotzdem oder gerade deswegen meistens, wie vorangeschickte Singles ala ‚Handsome Devil’s Club‚ vorgeführt haben. Nur eben auch mindestens genau so schnell wieder beim anderen Ohr hinaus – ohne tatsächlich Eindruck hinterlassen zu haben.
‚Anthems‚ fehlt es an Ecken und Kanten, an Energie und Biss. Dass hat dann auch nichts mit dem bisherigen Schaffen von Carter, Carroll und einer Session-Musiker-Horde zu tun, die ähnlich gesichtslos bleibt, wie das aufgefahrene Songmaterial. Wenn in der bodenständig gemeinten Ballade ‚Heavy Kind of Chain‚ noch nicht einmal die eingestreuten Streicher annähernd Emotionen vermitteln können, der Quasi-Titeltrack ‚Anthem‚ sich trotz munter purzelndem Barpiano schlichtweg ermüdend auf hoher See verliert oder ‚March of the Pilgrims‚ statt der angepeilten tausenden seligen Kehlen nur Achselzucken erntet zeigt sich deutlich, dass der Funke der Pure Love zu diesem Neustart veranlasst hat zu nahezu keinem Zeitpunkt überspringen kann.
Da können sich Carter und Carroll mit dem seine offenkundige Zugänglichkeit gar penetrant forcierenden ‚Anthems‚ paradoxerweise allemal den Orden auf die Brust heften, ein durch seinen Bruch mit der Vergangenheit verhältnismäßig mutiges Album veröffentlicht zu haben. Weil dieses aber gerade ohne die durch seine Vorgeschichte garantierte Aufmerksamkeit wohl schlichtweg in der Masse des Durchschnitts untergegangen wäre müssen Pure Love schon froh sein, wenn man sich bis zum zweiten Album noch an sie erinnert.
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