Protest the Hero – Palimpsest

von am 20. Juni 2020 in Album

Protest the Hero – Palimpsest

Nach (dem im Rückblick weitaus weniger Eindruck als 2013 erwartet hinterlassen habenden) Volition und der Veröffentlichung des seriellen Sammelsurium-Kurzformates Pacific Myth markiert Palimpsest für Protest the Hero die Rückkehr zum klassischen Album-Format.

Palimpsest ist gleichermaßen Schlussstrich und rebootender Neuanfang: Ein vorläufiger Endpunkt insofern, als dass die kanadische Band experimentelle Veröffentlichungsformen mit unausgegorenen Qualitätsergebnissen hinter sich lässt, die 53 Minuten aber auch ein vor drei Jahren begonnenes Konzept über Amerika unter der Regierung Trump zu einer vorläufigen Bestandsaufnahme zusammenfasst, während Sänger Rody Walker eine stressige Zeit als frisch gebackener Vater hinter sich brachte und von einem Stimmverlust genesen ist.
Nach einem doch ernüchternden – oder zumindest: kaum noch euphorisierenden – Jahrzehnt für Protest the Hero kommt Palimpsest ohne diese Altlasten durchaus einer Frischzellenkur gleich: Zwingender und hungriger klang das ihre Trademarks mit absoluter Routine verinnerlichte Quintett seit Kezia nicht, doch öffnet es den Signature Sound dabei aber genau genommen so weit wie keines der bisherigen vier Studioalben.

Palimpsest ist voller (keineswegs subtiler, aber angenehm unaufdringlich arrangierter) orchestraler Arrangements mit Streichern und Pianos ausgeschmückt, immer wieder atmet die Platte gar in räumlichen Interludes aus: Das märchenhafte Harborside gibt sich majestätische, Mountainside träumt vom Walzer und das melancholisch klimpernde Hillside bedient sich bei Prinzessin Mononoke.
Dazu gibt sich das Songwriting generell zugänglicher und weniger verschnörkelt, die patentierte Hyperaktivität der Band in technisch (wie immer virtuosen Kunststücken auftretend) kontrollierter agierend in stets zutiefst catchy Bahnen lenkend – weswegen nicht selten My Chemical Romance und Coheed and Cambria nun als erste Referenzen zulässig sind.

Dass Protest the Hero in dieser Ausrichtung manchmal „nur“ gute, soll heißen: weniger spektakuläre, Standards liefern, wiegt im Kontext einer ausfallfreien Platte weitaus weniger, als die herausragenden Highlights. The Migrant Mother ist etwa ein opulenter, aber nicht überladener Einstieg, der mit Tempo in den Metal galoppierenden tackert und seine theatralischen Melodie mit einem infektiösen Überschwang ausbreitet. Das himmelstürmende From the Sky trumpft sogar mit einem noch überragenderem Finale auf, in The Fireside singt Rody wie von der Tarantel gestochen, bis sich alle im Chor in den Armen liegen, und Soliloquy badet besonders triumphierend im Breitwandformat des Pathos. Ob Protest the Hero mit Palimpsest viele neue Fans rekrutieren werden, darf zwar bezweifelt werden, die Basis wird an dieser Revitalisierung allerdings wohl ebenso viel Freude über der Erwartungshaltung haben, wie die Band selbst. Den Rest erledigt das grandiose Album-Artwork.

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