Preoccupations / Protomartyr – Telemetry at Howe Bridge
Gipfeltreffen des aktuellen Post-Punk auf der Achse Kanada-Amerika, limitiert auf 1000 Vinylexemplare: Preoccupations und Protomartyr nehmen sich auf Telemetry at Howe Bridge jeweils gegenseitig einen Song der baldigen Tourpartner vor.
Gerade einmal um die acht Monate nach New Material macht das Quartett aus Calgary dafür den Anfang und überarbeitet Pontiac 87 von The Agent Intellect (Platz 22 in den Jahrescharts 2015) relativ direkt an der Erwartungshaltung: Preoccupations bewegen sich nahe am Ausgangsmaterial, übergießen das Songwriting allerdings mit ihrem typisch dsytopischen Sound und heben zudem den im Original nur latent spürbaren Joy Division-Vibe greifbarer hervor.
Die Gitarren scheinen im Nebenzimmer zu passieren, ein schmutziger Synth-Filter liegt über den zackiger inszenierten Drums, Matt Flegel tauscht die demonstrative Langweile von Joey Casey gegen mehr Sehnsucht, bis der Bass aus dem verwaschenen Klangschleier gurgelt. Hinten raus nimmt die Nummer immer mehr an dringlicher Fahrt auf, verschwindet aber gleichzeitig in einem psychedelisch entrückten Nebel, der Preoccupations irgendwo zwischen Bedroom-Ambient-Nexus abtauchen lässt.
Rein aus kreativer Sicht ringen Preoccupations dem Song mit der ausschließlich klang- und stimmungstechnisch veränderten Ästhetik insofern inhaltlich vielleicht keine neuen Facetten ab, assimilieren die Komposition allerdings rundum stimmig in ihren Kosmos.
Spannender ist deswegen definitiv der Ansatz der momentan im Veröffentlichungsrausch befindlichen Protomartyr. Seit dem fabelhaften 2017er Werk Relatives in Descent haben die Detroiter mit der Kelley Deal-EP Consolation sowie einer teilweise starken Kooperation mit Spray Paint (Irony Prompts A Party Rat) schließlich nicht nur zwei Kurzformate vorgelegt, sondern präsentieren in Form ihrer Interpretation von Forbidden schon beinahe das nächste Quasi-Original.
Immerhin denkt ihre Version der Nummer dort weiter, wo Preoccupations den Song auf ihrem selbstbetitelten Zweitwerk-Debüt (2016) kurzerhand frustrierend im Twist ausklingen ließen und expandiert aus dem, was bisher nur der zu plötzlich aus dem Nichts beginnende (und ebensdort verlaufende), skizzierte Appendix eines Intermezzos war, die Ahnung eines vollwertigen Songs. „There’s an old adage that goes something like, ‘if you’re going to cover a song by a beloved Canadian band, it’s best to pick the second shortest one,‘ We all really liked the outro part and had the brilliant idea to extend it. And that, my friends, is how you make musical history.“
Zumindest wird aus dem ursprünglichen Korpus hier also nur das ebenfalls werkstreue beibehaltene Intro, das im homogenen Schulterschluss aus dem konturlosen Sound des vorausgeschickten Covers der Tourkollegen übernimmt: Telemetry at Howe Bridge ist deswegen eine sehr homogene Angelegenheit geworden.
Schwerfälliger und abgeämpfter resignierend schleppen sich Protomartyr danach etwas weniger verführerisch durch einen melancholisch pendelnden Hall, bauen den Rhythmus, der die Nummer bald in Besitz nehmen wird, aber dabei bereits sorgsamer auf, als die unmittelbar kippenden Kanadier dies in der Originalversion taten. Wenn Forbidden dann also nach annähernd eineinhalb Minuten nach vorne preschend detoniert, grooven die Amerikaner polternd zum fiebrig-monotonen Jam mit hypnotisierender Gitarrenlinie und antreibenden Reverb-Vocals.
Genau genommen praktzizieren Protomartyr also nur die ausführlichere Verfolgung der von Preoccupations angerissenen Route, ohne danach charakteristische eigene Songwriter-Impulse nachzusetzen. Doch wenn aus 92 Sekunden so knapp vier Minuten werden, fühlt sich das Ergebnis durch im Detail vorgenommenen Installationen und folgender Konsequenz dennoch schlüssiger an – Protomartyr haben aus zwei nebeneinanderstehenden Fragmenten doch etwas gemacht, dass sich stimmiger als ganzheitlich verschweißter Song anfühlt.
Welche der beiden Parteien aus der Zusammenkunft Telemetry at Howe Bridge insofern theoretisch als Sieger aussteigt, ist deswegen auch schnell geklärt. Die eigentlichen Gewinner sind aber vielmehr ohnedies all jene, die dieses marktführende Duo demnächst im Verbund auf der Bühne erleben dürfen.
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