Post Malone – Twelve Carat Toothache
Post Malone ist im Privatleben mit Verlobungsring am Finger als Vater einer Tochter mittlerweile wohl angekommen – und musikalisch soll Twelve Carat Toothache wohl den Reifungsprozess in der Metamorphose des eklektischen Pop-Generikums markieren.
Die jüngste Vergangenheit hat den Verdacht unterstrichen, dass Austin Richard Post ja grundlegend ein wirklich netter Kerl zu sein scheint: in etwaigen Interviews kommt er stets sympathisch daher; es posieren Metal-Legenden ebenso mit ihm, wie er die Bühne mit veritablen Bluegrass-Genies teilt und mit Aquaman performt; zudem hat er mit einer tollen Lockdown-Nirvana-Session nichts falsch gemacht; und auf dem vierten Post Malone-Album steht dann sogar auch noch Indiefolk-Liebling Robin Pecknold auf der Gästeliste.
Insofern kann man dem vierten Post Malone-Album trotz dreier grottiger Vorgängern ja durchaus eine Chance geben, oder?
Twelve Carat Toothache wiegt jedwedes Wohlwollen allerdings mit einer galligen Vision von kontemporär-radiotauglicher Einheitsbrei-Popmusik auf, die von einer glatten, sterilen Überproduktion gekennzeichnet ist, und deren einhergehende komplett austauschbare kompositorische Beliebigkeit ohne Überraschungen oder Risiken nur noch insofern den Charakter seines Urhebers erkennbar macht, indem geschmacklos übersättigte, so unheimlich, unheimlich, unheimlich nervige Autotune-Effekte auf der Stimme grottenschlechte Texte transportieren, deren Seiltanz über emotional gemeinter Schonungslosigkeit eher einer hochnotpeinlichen Persiflage mit immanentem Fremdscham-Faktor gleichkommt.
Als Zeichen unserer Zeit (und dem Status Quo populärer Musik im Allgemeinen) zu verstehende Existenz wie der generell weitaus weniger mögenswert scheinende Schrotthändler Machine Gun Kelly nervt Twelve Carat Toothache dabei jedoch gar nicht unbedingt als geschmacklos schlechter Rohrkrepierer – nur ist die Platte in ähnlichem Ausmaß einfach so dermaßen bocklangweilig geraten, dass abseits einiger erschreckender Zeilen (die dann auch jede höhere Wertung einfach nicht zulassen) und der grundlegenden Ästhetik nahezu alles ineinander verschwimmend verblassen lassen.
Obwohl der Einstieg noch relativ solide gelingt. Reputation suhlt sich mit Vocoder und Klavier im Pathos des ambienten Synthpop mit vagen kammermusikalischen Schattierung, während Cooped Up näher zum R&B tendiert und Lemon Tree’s trauriges Akustik-Geklampfe zu einem 08/15-Beat samt erblühende Arrangements findet, was dann wie eine D-Seite von Fences wirkt: Alleine im verunstalteten Gesang bleibt nach dem Studio leider keinerlei Leidenschaft, Seele oder sonstige Hingabe im Gesang über.
Hinter munterem, flotten Elektropop (Wrapped Around Your Finger oder Euthanasia) gibt sich ein I Like You (A Happier Song) luftig und locker, ist ebenso catchy wie das das Spektrum kurz zu mehr Trap verschiebenden Doppel aus dem klackernden, fast natürlich scheinenden I Cannot Be (A Sadder Song) und dem kontemplativeren Repetitivwerk Insane. Bei Love/Hate Letter to Alcohol gibt es besagten Gastauftritt von Fleet Foxes-Boss Pecknold – der sich jedoch auf ein bisschen choral ausschmückendes Hintergrund-Gesäusel für wenige Sekunden im Alibi-Rahmen beschränkt, derweil Post melodramatisch wummernden und heroisch stampfenden Kitschbombast geradezu trivial frönt: „You’re the reason why I got my ass kicked/ But you’re the only way to drown my sadness/ This is my love/hate letter out to alcohol“.
Überhaupt haben die namhaften Gäste (Doja Cat, Roddy Ricch, Gunna, The Kid Laroi) wenig essentielles zum Verlauf von Twelve Carat Toothache beizusteuern – nur The Weeknd kann in One Right Now („Said you wanna have my babies/ I fucked you so good, you should pay me/ Don’t call me „baby“ when you did me so wrong“) mit redundant bleibender 80er-Ästhetik noch einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Allerdings ist auch spätestens hier auch klar, dass die Platte in letzten Drittel längst einem ungeordneten Clusterfuck gleicht, der keinem kohärenten Spannungsbogen mehr folgt, sondern seine Songs unbefriedigend aneinanderhängt und dem Ganzen den Eindruck einer unfertigen Planlosigkeit anhängt.
Wenn Wasting Angels als ambienter Pop minimalistisch (und trotzdem seltsam übersättigend) damit überrascht, wie konsequent der zusammengezogene Dynamik sich der konventionellen Auflösung widersetzt und einen gemeinschaftlichen Klimax vage andeutet, wirkt das zwischen Love/Hate Letter to Alcohol und Euthanasia platziert erst noch „nur“ wie ein unkoordiniertes Sequencing.
Doch daher das Pendel zwischen When I’m Alone (das abgedämpft ans EKG angeschlossen bleibt und berühren könnte, wenn all das zumindest einen Funken Subtilität oder Gefühl hätte), dem fragmentarischen Klavier-Zwischenstück Waiting for a Miracle sowie dem komplett wahllosen Closer New Recording 12, Jan 3, 2020 (eine schiefe, skizzenhafte und unfertige Acoustic-Demo von Euthanasia) plätschert, dann ist Twelve Carat Toothache selbst in dem, was das Album sein will, eine enervierend ünerfüllende Angelegenheit. Die Melodien sind belanglos, die wirklich schädliche Inszenierung identitätsfrei, die Ausführung wenig fokussiert. Richtig frustrierend ist das aber trotzdem deswegen, weil die besseren Momente dieses Viertwerks suggerieren, dass in Post Malone mit einer besseren Produzentenhand im Hintergrund (nicht nur ein rohes Punkrock-Werk, sondern auch) durchaus ein annehmbares Pop-Album schlummern könnte.
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