Portugal. The Man – Woodstock
Die erstaunlich lange Plattenpause von vier Jahren hat Portugal. The Man offenbar gut getan. Ihr einst so unberechenbar überschäumender Indie-Rock fühlt sich mit Woodstock im konventionellen Middle of the Road– Pop mit schnittigem Zug auf die Charts schließlich wohler denn je.
Es ist eine nette Anekdote, die Portugal.The Man rund um ihr achtes Studioalbum zu erzählen haben.
Nach Evil Friends verstiegen sich die Amerikaner in die nicht enden wollenden Aufnahmen zu dessen angedachten Nachfolger Gloomin + Doomin. Letztendlich eine dieser unvollendeten Platten, die immer weiter zerdacht im Limbo der Popmusik verschwand, um am Ende für die Zäsur mit dem befreienden Woodstock Platz zu machen: John Gourley fand eine alte Eintrittskarte für das legendäre Hippie-Festival, kam mit seinem Vater darüber ins Gespräch – und plötzlich liefen die Dinge wie von selbst, Portugal.The Man hatten ihre alte Schaffenkraft wieder. Und sogar politische Inhalte vor Augen.
Auf den 39 Minuten von Woodstock selbst ist von diesen, wie auch von der turbulenten Entstehungsgeschichte, nach dem eröffnenden Richie Havens-Sample von Motherless Child im starken Opener Number One (ein schwerfällig-wuchtig stampfender Hipster-Blues mit psychedelischer Tapete und dem wie immer tollen Son Little auf der Gästeliste, dazu ein unerwartet suchender Appendix als unvorhergesehene Wende im Songwriting) allerdings nichts zu hören. Viel eher machen Gourly und Zachary Carothers mit ihren Mitmusikern nunmehr nahtlos dort weiter, wo sie 2013 mit Evil Friends aufgehört haben: Bei der Zähmung ihrer vormals so unbändigen Experimentierfreudigkeit in ein möglichst breitenwirksame Pop-Outfit, tanzbar und partytauglich, dank so schmissiger wie unverbindlich abholender Ohrwürmer voller catchy Melodien und vitaler Hooks ein Konsens-Groover von lässiger Zielsicherheit.
Diese Schiene bearbeitet die Band mit Woodstock sogar noch einmal um das Quäntchen unterhaltsamer und effektiver, als auf dem Vorgänger. Schließlich legen sich Portugal.The Man mittlerweile wie selbstverständlich in diese zur Beliebigkeit neigende Ausrichtung des Formatradio-Pop, betreuen dessen gewisse Oberflächlichkeit aber mit dem nötigen Charisma. Alleine schon symptomatisch, wie leicht mittlerweile selbst Szenen wie die eigentlich penetrante Disco-Stadion-Hymne Live in the Moment von der Hand gehen – mit ihrer immensen Zugänglichkeit allerdings dennoch eher entwaffnen, als nerven.
Woodstock schraubt dafür im direkten Vergleich zu Evil Friends die interessanten Details und Ideen noch einmal weiter zurück, ergeht sich relativ gleichförmig in den immer selben, simpel gehaltenen Strophe/Refrain Strukturen, fühlt sich damit in Summe jedoch trotzdem natürlicher gewachsen an. Indem Woodstock seine gut gelaunte Ausrichtung überschwänglich auslebt, Protest als schickes Fest inszeniert, transportiert die Platte eine infizierende Freude an ihrem Wesen und macht schlussendlich vor allem aufgrund des so umtriebig stets den direktesten Weg zum angenehmen zu konsumierenden Hit findenden Songmaterials unkompliziert-kurzweiligen Spaß.
Easy Tiger feiert sein funky R&B-Grundgerüst etwa mit hibbeliger Orgel, Classic Rock-Neigung, Autotune, bouncendem Beat sowie funkelnden Effekten und ist damit ein ähnlich unmittelbar zündender Single-Kandidat, wie das von Mark Ronson’scher Dance-Affinität und slickem Hip Hop-geprägte, konsumkritische Rich Friends. Selbst relative Egalitäten wie Keep On haben verdammt gute Karten für einen sonnigen Platz am nächsten Sommersampler.
Von der Kreativität ihrer Frühphase ist sie freilich weit entfernt. Am besten ist Woodstock aber sogar, wenn Portugal. The Man am ungeniertesten ihren authentisch in die Gegenwart gebudelten Zeittunnel öffnen und sauber ausgeleuchtet ihrem aktuellen Naturell frönen. Wenn sie in Feel it Still beispielsweise mit smarten Motown-Bläsern um androgyne 60s-Anachronismen shaken (und als klassischer Portugal. The Man-Move mit Please, Mr. Postman mal wieder eine Melodie covern, ohne dafür Quellenangaben zu setzen), mit Mary Elizabeth Winstead, Zoe Manville und Produzent Mike D für den finalen Soul-Spaziergang Noise Pollution gar die momentan fesselnderen Gorillaz zeichnen oder ausgerechnet von deren Demon Dayz-Spezi Danger Mouse mit dem angenehm unaufdringlichen So Young sowie dem elektronisch verfremdeten Mr. Lonely (Fat Lip rapt, während der allgegenwärtige A$AP Rocky seinen Beitrag unter den Tisch zu kehren versucht) für Momente des entspannten Understatements sorgen.
So Young wartet dann (dank „You and I are gonna live forever„) übrigens sogar mit dem wohlwollenden Segen von Noel Gallagher auf: „It’s a bloody great song!„. Darüber ließe sich freilich streiten, wenn Noels Urteil nicht generell ultimativ und bindend wäre. Im Grunde spricht es aber ja alleine schon für sich, dass sich kein Strick daraus drehen lässt, dass die Geschichten hinter Woodstock spannender sind, als das bisher charttauglichste Album der Band an sich. Schlüssiger und besser waren Portugal. The Man in ihrer Major-Phase jedenfalls noch nicht.
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