Portrayal of Guilt – We Are Always Alone

von am 4. Februar 2021 in Album

Portrayal of Guilt – We Are Always Alone

Die Highlights ragen vielleicht nicht mehr derart explizit aus der Masse hervor, dafür hat sich der ganzheitliche Blick auf das Gesamtwerk geschlossen: Portrayal of Guilt rufen ihr Potential auf We Are Always Alone ergiebiger ab.

Die Band aus Texas hat also am größten Manko ihres Debütalbums Let Pain Be Your Guide aus dem Jahr 2018 gearbeitet und bietet nun einen geschlossenen Spannungsbogen, besseren Sound (Produzent Will Yipp macht wenig falsch!), eine Homogenität in der stilistischen Spannweite aus Screamo und Black Metal-Tendenzen sowie eine qualitative Kohärenz im Songwriting (obgleich das Abblenden einzelner Nummern im elektronisch-industrialisierten Noise-Suspence-Ambient doch eine oft gewählte, fast genormt scheinende ästhetische Ausflucht zum nahtlosen Übergang darstellt – das funktioniert schlüssig und ist zudem mit einender Vision praktiziert, wo Liveshows der Band zu unausgegorenen, brillant aufblitzenden Clusterfuck-Szenarien mutieren können).
Deswegen frustriert es auch niemals, dass individuelle Sternstunden wie The End of Man Will Bring Peace to This Earth oder dem Suffering is a Gift-Material, die das bisherige Schaffen des Trios stets in den Schatten stellten, nun nicht überboten werden. Immerhin ist We Are Always Alone stattdessen zum einen mehr als die Summe seiner Teile; zum anderen ist die Basis hier aber auch auf einem solch hohen Niveau angesiedelt, dass jedwede Kritik die Standards der besten in des Genre-Schmelztiegels als Messlatte annehmen muß.

Insofern passt es wie die Faust aufs Auge, dasss im eröffnenden The Second Coming Chris Taylor (der auch das Artwork beisteuert) von den so stilprägenden pg.99 vorbeischaut, während Portrayal of Guilt wirbeln und geifernd speien, als müsste man sich selbst überholen, die Dringlichkeit in ihrer Rasanz allerdings niemals gänzlich die Griffigkeit oder gar den melodiösen Subtext abhängen will.
Danach fällt die intensive Manie erst einmal kaum ab: Anesthetized köchelt dramatisch und unheilschwanger, verlässt sich auf einen bösartiges Riff-Mahlstrom, der im gemeinen Sludge angerührt ist, bevor A Tempting Pain den Grindcore in eine ballernd nachblutende Echokammer verfrachtet. Damit ist der erste jugendliche Übermut und Druck aus dem harschen Emoviolence-Ventil gepustet – und Portrayal of Guilt machen einen Schritt zurück, konzentrieren sich mehr auf dich Dichte, nehmen das Tempo immer wieder hinaus und beginnen öfter zu brüten, rühren die Heaviness geduldiger an. Der Blick auf den Kontext zeigt dann: We Are Always Alone setzt im Wertmaßstab (und im Gegensatz zu Let Pain Be Your Guide) auf Konsistenz statt Unberechenbarkeit; auf Struktur statt Chaos. Doch geht die Balance nicht auf Kosten der Dynamik, Aggressivität, Wut oder gar Varianz.

Für It’s Already Over liebäugeln die Gitarren mit einem anachronistischen Emo-Beginn, doch brüllt bald eine eingängige Hook aus der Finsternis, bäumt die Saiten auf und nimmt sich die Zeit, um in sich zu gehen und läuft von neuem im Sturm an. Masochistic Oath kennt den direktesten Weg vom tektonischen Atmo-Hardcore über den rasenden Black Metal hin zum polternden Punk und wieder zurück – wo man es sich in der Folterkammer der Zeitlupe bequem macht, der Sludge zur Geduldsprobe wird.
They Want Us All to Suffer ballert so hasserfüllt schwarz mit Blastbeats, liebäugelt dann mit einer von Celeste patentierten Melange und bereitet in den Morast abtauchend Garden of Despair vor, dass keinen Unterschied zwischen doomigen Tendenzen und explosiv zündenden Sprengfallen im Temporausch macht, die Geschwindigkeit wie manisch anhält und wieder komplett antaucht, zu den sinister durchatmenden Passagen von Converge schielt, und in seiner Radikalkur irgendwie doch wieder eine hartnäckige einbrennende Eingängigkeit zeigt, spätestens im Rahmen der sich selbst zerfleischenden Rudelbildung mit Matt Michel auf der Gästeliste. (Ein Highlight, das zwischen Punkten liegend übrigens für die Fanbrillen-Aufwertung sorgt).
My Immolation vermengt diese Einflüsse imWechselspiel aus atonalen Tendenzen, fetten Breitseiten und selbstkasteiender Katharsis unbarmherzig nach Erlösung suchend, trostlos, abgekämpft und apathisch, assimiliert dafür gar eine klargesungene Versöhnlichkeit, die der französische geprägte Titelsong wie eine Light-Variante von Infidèle​(​s) aus der Perspektive von Serpent Column nach einer Eruption im Todes-Walzer ausschunkeln lässt. Die finale Überwältigung fehlt dabei vielleicht, auch der letzte Funke Genialität, doch die Vision stimmt: Portrayal of Guilt sind nicht mehr alleine, sindern mitten drinnen in der nihilistischen Speerspitze der Szene.

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