Portal – Ion
Portal überfluten ihren avantgardistischen Experimental-Death Metal auf Ion doch nicht mit einem psychotischen White Noise-Rauschen – der verstörende Teaser oder malträtierende Distortion-Vorboten wie Spores haben diesbezüglich eklatant auf die falsche Fährte geführt. Viel eher sprechen die Australier auf ihrem fünften Studioalbum mit geänderten Produktionsbedingungen sogar eine Einladung aus.
So absurd es angesichts dieser (wie immer hervorragend kompakt gehaltenen, ideal dosierten) 37 Minuten auch sein mag, doch war es wohl noch nie einfacher Zugang zum irren, überfordernden Kosmos von Portal zu finden, als mit Ion.
Dabei bleibt das Reich der Band aus Brisbane grundlegend eine harsche, menschenfeindliche Landschaft. Strukturell vollkommen zerfahren und kaum nachvollziehbar fabrizieren Portal ein schizoid miteinander kollidierendes Chaos aus Stakkato-Blastbeats, klaustrophobischen Gitarrenattacken und dem prägenden Gesang von Kuckucksuhr-Träger The Curator – ein keuchendes, röchelndes, heiseres, mystisches Leiden in monoton-beschwörender Dunkelheit. Ion ist eine abrupte Raserei mit unzähligen Wendungen, umgeschichteten Ansätzen ohne Melodien, an denen man sich festhalten könnte; eine dissonant und atonal verkettete Abfolge aus Umbrüchen, die einen Großteil der Songs nur selten auseinanderdividierbar machen, wie ein wütend unterdrückter Wahnsinn permanent eskalieren.
Hängen bleibt abseits des geschlossenen Ganzen so augenscheinlich wenig. Die ambiente Soundscape-Klammer, die sich mit dem Intro Nth, sowie dem immer weiter in der Transzendenz verschwimmenden, abschließenden Monolithen Olde Guarde um Ion spannt. Phregs ist ein überragendes Aushängeschild, ein Monstrum, das sich einer straighten Nachvollziehbarkeit so unbarmherzig annähert, wie nur möglich. Oder Crone, das mit seinem beängstigenden Mantra in aller Scheusslichkeit mündet: „Pray…for sickness„.
Und am Ende ist Ion vor allem ein in sich geschlossenes, krankes Gesamtkunstwerk, ein homogene ausbalanciertes Stück Eigenwilligkeit, in dem jedes Element seinen Teil zum großen Ganzen beiträgt, sich die Highlights die Klinke letztendlich mit Schaum vorm Mund in die Hand fließen lassen und einen auslaugenden Mahlstrom erzeugen.
Es gelingt Portal abermals, in diesem algorithmischen Durcheinander weniger das Gefühl zu vermitteln, sich frustrierend verloren fühlen zu müssen, als vielmehr mit einer originären Stimmung und Atmosphäre zu umspülen, die einen komplett in den Bann zieht; als Rausch und Strudel wie ein verstörender Suspence-Trip funktioniert, intensiv und unbehaglich, progressiv und fordernd. Man kehrt aus ähnlichen Gründen immer wieder zu Ion zurück, aus denen man Horrorfilme oder -Spiele genießt, zu ergründen versucht. Ein höllisches Vergnügen an der Angst, dass den Raum zwischen Klassikern wie Morbid Angel und aktuelleren Grenzgängern wie Jute Gyte oder gar Cleric mit irritierend unkonventioneller Kompromisslosigkeit vermisst und praktisch ohne zulässige Referenzpunkte zerstört, sich bei der Exotenriege von The Flenser wohl ebenso wohl gefühlt hätte wie bei Profound Lore.
Dennoch ein polarisierendes Ungetüm, selbst – oder gerade – für bekehrte Anhänger. Was nicht zuletzt an der Produktion der Platte liegt. Der Sound ist klarer definiert als bisher, arbeitet die Konturen der Instrumente deutlich stärker hervor, legt den Fokus auf die atemlosen Gitarren und Gesang, schluckt den Bass und lässt die Drums hinterherhetzen, aussetzen, sich neu anordnen und wieder die treibende Verfolgung aufnehmen.
Diese, nun ja, „sauberere“ Positionierung entfernt die Band stilistisch vom angestammten Caverncore, schraubt auch das infernal Magengrubentiefe Rumoren zurück, öffnet den experimentellen Tech-Death Metal für hirnwütige Ansätze aus dem Thrash und Black Metal. Das lässt Portal kompakter und direkter als bisher klingen, vielleicht auch weniger unterschwellig mächtig. Die strengen Linien im Artwork sind damit durchaus sinnbildlich zu verstehen, Ion ist akribisch konstruierter Moloch von geradezu maschineller Detailgenauigkeit. Und ja, damit bedienen die Australier nicht die verwaschene Ästhetik, mit denen sie bis hin zu Vexovoid vor allem im Untergrund für Furore sorgten – und zahlreiche Epigonen einen Pfad aufzeigten.
Fakt ist aber auch: Ion ist durch diese beinahe verträgliche Direktheit keinesfalls ein derartiger Affront, wie manche Langzeitfans ihn in der Platte samt Ausverkaufsvorwürfen hören (den so auch die durchaus wohlwollendere Faszination seitens des Feuilletons widerzuspiegeln scheint). Viel eher haben Portal mit dem vereinnahmenden Ion einen Weg gefunden, ihren originären Trademarksound ein weiteres Mal überraschend anders in Szene zu setzen, sich von ihren Nachahmern abzusetzen und ihrem eigenen Kosmos durch ein anders ausgeleuchtetes Auftreten ungekannte Facetten abzuringen; kurzum: sich ihren eigenwilligen Charakter zu bewahren (vielleicht sogar um gewisser Weise zusätzlich zu forcieren), ohne dafür Zugeständnisse machen zu müssen. Die Frage, ob Ion mit hauseigenen Klassikern mithalten kann, stellt sich insofern gar nicht notwendigerweise.
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