Placebo – Loud Like Love
Ja, ‚Loud Like Love‚ ist die durch die Interims EP ‚B3‚ eingeleitete Leistungssteigerung auf Albumlänge. Und ja, der drei Jahre alte Vorgänger ‚Battle for the Sun‚ bleibt damit vorerst die einzig ärgerliche Platte von Placebo. ‚Loud Like Love‚ ist dafür ihre erste, die einem auch egal sein darf. Ungeachtet all der lyrischen Fauxpässe.
‚Loud Like Love‚ hat es alleine aufgrund des dürftigen ‚Battle for the Sun‚ beinahe einfach zu überzeugen: auf einer bis dahin blütenweißen Veröffentlichungsweste enttäuschte der Einstand von Neo-Drummer Steve Forrest 2009 abgesehen von einigen Lichtblicken nahezu auf ganzer Linie, verzettelte sich zwischen emotionslosen Belanglosigkeiten und spannungsbefreitem Bombast: nach ‚Meds‚ schien schlicht alles gesagt. An dieser Sicht ändert nun auch das siebente Studioalbum der Band grundsätzlich wenig, macht jedoch in Summe wieder deutlich mehr richtig als zuletzt, und rechtfertigt seine Existenz vor allem mit den klar besseren Songwriting. ‚Loud Like Love‚ ist eine angenehm abwechslungsreiche, dynamische Platte geworden. Eine, die sich den zahlreichen Facetten de Leit-Themas Liebe variantenreich annähert, ohne jemals ernsthaft mit dem elektroinfizierten, melancholischen Alternative Rock der Band zu brechen.
Eine Genesung auf Raten, Makel finden sich allerorts. Was an ‚Loud Like Love‚ jedoch wirklich am eklatantesten schief läuft manifestiert sich am deutlichsten in der grauenhaften Vorabsingle ‚Too Many Friends‚, das zwischen immer noch überpräsentem Streicherkleister, den ultrasimplen und prominenter denn je eingesetzten Drei-Tasten Pianomelodien von Stefan Olsdal sowie einer unangenehm massentauglich getrimmten Anbiederung in Brian Molkos bodenlos dämlichen Text seinen Tiefpunkt findet: „My computer thinks I’m gay/ I threw that piece of junk away/ On the Champs-Élysées/ As I was walking home“ wird mit der Brechstange gereimt, die zugrunde liegende Kritik an den Gefahren digitalen Netzwerken vergeht im hochnotpeinlichen lyrischen Erguss vor Schamesröte. Nur marginal besser macht das auch ‚Rob the Bank‚, das instrumental willkommenerweise Tempo injiziert, sich inhaltlich jedoch zwischen lahmer Finanzmarktkritik und platter Liebesbekundung verzettelt – unterm Strich ist ‚Loud Like Love‚ ist ein lyrisches Desaster, kann allerdings durchaus Spaß machen – nur muß man erst lernen die textliche Ebene der Platte gedanklich weitestgehend auszuklammern.
Besonders gut gelingt hingegen trotzdem gleich der eröffnende Titelsong, der mit nahtlos sitzendem Bombast energisch in die Stadion dieser Welt losbricht und seine positive Grundstimmung unvermittelt bis zum schuffelnden ‚Scene Of The Crime‚ mitnimmt, das hinten raus zwar mit dezent technolastigen Einsprengseln aufhorchen lassen kann, letztendlich im Finale allerdings ideenlos aufgeblasen wegknickt. ‚Hold on to Me‘ ist über weite Strecken eine gefühlvoll am Gospel angelehnte, in selbstzweifelnder Schönheit schwelgende Ballade geworden, verzettelt sich allerdings am Ende mit seinem gesprochenen Endmonolog samt – erraten – Streicherelegie. ‚A Million Little Pieces‚ kann sich ein käsiges Klavier nicht verkneifen, ist drumherum aber eine solide Popdramatik mit mehr Nachwirkung als das vielversprechend beginnende, aber doch farblos vor sich hin dümpelnde, die Tonleiter nervend auf und ab marschierende ‚Purify‚.
Ungeachtet dessen gehören die stärksten Momente der Schlußphase von ‚Loud Like Love‚. Wie sich ‚Exit Wounds‚ („Want you so bad I can taste it/ But you’re nowhere to be found/ I’ll take a drug to replace it/Or put me in the ground„) aus seinem kalten Elektro-Korsett zum getragenen Rocker empor hebt erinnert entfernt an die Klasse von ‚Sleeping With Ghosts‚; ‚Begin The End‚ erklärt hingegen ansatzweise warum Placebo von ‚In Rainbows‚ als maßgeblichen Einfluss auf ‚Loud Like Love‚ gesprochen haben: von Phil Selway inspiriertes, abgedämpftes Snare-Spiel baut sich mit atmosphärisch perlenden Gitarren über sechs intensive Minuten zum unumstritten stärksten Song der Platte auf – dem einzigen der zehn versammelten, der es mit alter Klassezu bewegen versteht. Denn genau dies gelingt auf ‚Loud Like Love‚ sonst nie, auch dem ergreifend gemeinten ‚Bosco‚ zuletzt nicht: hier bringen Placebo die PS schlichtweg nicht auf den Boden, die all das versammelte Potential (sentimentale Melodie, behutsame Inszenierung, akzentuierte Streicherunterstützung) durchaus parat gestellt hätte. Ein mit knapp sieben Minuten Spielzeit zu langer, aber durchaus versöhnlicher Abschluss einer unspektakulär entgegenkommenden Platte, der die ultimativen Killersingles der ersten fünf Studioalben fehlen. Nicht nur deswegen unterstreichen Placebo unmittelbar vor ihrem zwanzigsten Geburtstag die These den idealen Zeitpunkt zum Aufhören wohl verpasst zu haben (‚Song to Say Goodbye‚ war offenbar nur für Steve Hewitt eine Steilvorlage) und tun, was man sich bis vor kurzem kaum vorstellen konnte: sie altern in mediokrer Mittelmäßigkeit.
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