PJ Harvey – All About Eve
PJ Harvey hat den Soundtrack zur 2018er Bühnenadaption des Filmklassikers All About Eve verfasst – was sich nun auch (neben einer Radiodokumentation) abseits der Londoner Theaterwelt nachhören lässt.
„Ich habe Geschichten schon immer geliebt, also ist das Komponieren von Musik zur Unterstützung und Erweiterung einer Geschichte eine Herausforderung, die ich genieße. Außerdem liebe ich die Freiheit, die mit der Arbeit an einem Instrumentalstück einhergeht, so ganz ohne Einschränkungen einer Song-Form.“ erklärt Polly Jean Harvey drei Jahre nach The Hope Six Demolition Project (und auch bald unglaubliche acht mit Let England Shake im Rückspiegel) ihre Motivation hinsichtlich der Beteiligung an der Adaption.
Folgerichtig halten die für All About Eve geschriebenen Stücke etwaigen Gesang auch in Grenzen – Harvey kommt dabei ohnedies nie an das Mikro. Stattdessen leiht die niemals nicht göttliche Gillian Anderson The Sandman ihre (gute, aber zugegebenermaßen nicht besonders explizit aufregende) Singstimme für eine verträumte kleine Ballade, die ausnahmsweise den sanften Beat eines gefühlvollen Schlagzeugs an Bord holt, die Arrangements folkig schweben und das allgemein tonangebende Piano wie einen aus der Zeit gefallenen A Whisper in the Noise-Anachronismus perlen lässt, während Lily James für The Moth ins Rampenlicht tritt: Noch eine derart veranlagte Elegie, zu der aber langsam eine sehnsüchtige Gitarre aufsteigt und das Geschehen ein bisschen wie Silent Hill als klagendes Ohrwurm-Musical mäandern lässt.
Beides hübsche Wohltaten ohne charakteristische Nachhaltigkeit in letzter Konsequenz, die sich jedoch nahtlos in den restlichen homogenen Fluss der Platte einfügen und im Gefüge durchaus für kleine Highlight-Statements sorgen. Die kurzweiligen 33 Minuten von All About Eve hat Harvey gemeinsam mit James Johnston und Kendrick Rowe schließlich ansonsten sehr zurückhaltend und unaufdringlich um versöhnlich getragene, Trost suchend schwelgende Instrumentalstücke gestreichelt, die wenig konkret eher lose Stimmungsbilder darstellen: Griffige Melodien spielen kaum eine Rolle, stattdessen treibt die 49 Jährige Musikerin in einer angenehmen Trademark-Eleganz, in der man sich schwerelos mit betörender Nostalgie verlieren darf.
Dezidiert hängen bleibt dabei allerdings in einer (höchstens vage aus PJ Harveys zuletzt angestammter Hoheitszone entrückter Kompositionsfreiheit) wenig.
Etwa, wenn die Streicher im Opener Becoming darbend funkeln und zittern, nach knapp zwei Minuten ein Klavier einnehmende Akkorde in den Raum trägt, die Keyboardtexturen glimmern und sich all das wie ein imaginatives Wandern durch den potentiellen Grundriss eines klassischen Harvey-Songs anmutet. Oder wenn das beinahe futuristische Descending eine hypnotischere Trance über krautig repetitive Synthie-Loops erzeugt, später einen freejazzigen Schlagzeugwirbel in das Geschehen stolpern lässt, und das wundervolle Ascending sich als sphärisches Kleinod an die Tasten setzt, bevor Aroeggio Waltz die kontemplative Melancholie der Platte in düsterere Gefilde kreisen lässt, ohne die intrinsische Spannung offenzulegen.
All About Eve ist ein angenehm subtiler Soundtrack (in Tonträgerform abseits der Bühne eben für das eigene Kopfkino) – gefällig, ohne beliebig zu werden, auch wenn das Album manchmal eher wie ein lose Landschaft von unverbindlichen Ideen wirkt, sowieso eher als Ambientwerk entlang seiner friedvoll-gespenstischen Atmosphäre und einnehmenden Stimmung funktioniert, die mit seiner phasenweise märchenhaften Klamgmalerei schemenhafte Emotionen hervorruft – oder wie im Falle von Change in C teilnahmslos entlässt.
Weswegen das vergängliche All About Eve auch nicht alleine an der eigenen Erwartungshaltung scheitert, abseits davon aber eine feine Ergänzung für die Diskografie der PJ Harvey darstellt, an die man ein bisschen sein Herz verschenken kann.
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