Pink Floyd – The Endless River

von am 12. November 2014 in Album

Pink Floyd – The Endless River

Die erste Pink Floyd-Veröffentlichung seit 20 Jahren ist kein derartiger Griff ins Klo, wie dass das Gros der geißelnden Kritiken nahelegt, aber als selbstzitierende Resteverwertung nicht zuletzt im Kontext der musikhostorischen Bedeutung dieser Band doch vor allem: unnötig.

Eine wirkliche Überraschung ist das im Grunde nicht, wusste man doch bereits im Vorhinein was da hinter dem Ethno-Photoshop-Cover kommen würde: im Grunde Ausschussware des so gerne unter Wert verkauften ‚Division Bell‚. In der Jetztzeit aufgehübscht und neu zusammengeschraubt, im Wesentlichen aber ein Potpourri dessen, was David Gilmore, Nick Mason und Richard Wright 1994 vom Vorgängeralbum wegschnippelten oder nicht zu Ende dachten.
Dass Gilmore und Mason (im Andenken an den 2008 verstorbenen Wright natürlich, nicht wegen den Unmengen an Münzen, die absurd überteuerte Boxsets in die Kassen der Engländer spühlen werden!) zwanzig Jahre nach den eigentlichen Sessions nun plötzlich ein vergessenes Meisterwerk aus der Mottenkiste zaubern würden, davon ist wohl nicht einmal der verklärteste Hardcorefan ausgegangen. Hastig vorgeformte Meinungen können sich 53 beinahe ausnahmslos instrumentale Minuten später jedoch leicht nach oben korrigieren lassen (ohne die Abwehrhaltung gegen die Veröffentlichung an sich deswegen zwangsläufig aufgeben zu müssen), denn, mag es nun auch vordergründig an der kaum tiefer zu stapelnden Erwartungshaltung liegen: ‚The Endless River‚ ist nun schlichtweg nicht derart schwach ausgefallen, wie das zu befürchten war und funktioniert als atmosphärischer Ambientsoundtrack für frei schwebende Gedanken oder Fahrstühle in Esoterikzentren durchaus.

Dabei muss sich das fünfzehnte – und wohl auch letzte – Studioalbum der Band einiges vorwerfen lassen. Etwa, dass die Veröffentlichung überhaupt unter dem Albumbanner firmiert, obwohl die phasenweise wahllos angeordneten Ideen- und Melodiefragmente zu keinem Zeitpunkt in ihrer Form als zielloses Mäandern ohne konkreten Spannungs- oder Strukturaufbau ihren Ursprung als Outtake-Jampool kaschieren können. Synthieschwaden ziehen da im weiten Raum vorüber, Keyboardwellen wabbern vor lose aufgebauten Rhythmen, die Trademark-Gitarren hallen und heulen durch Soundwelten nahe der Räucherstäbchenmusik, die Gniddelsoli klingen vertraut, ohne wirklich irgendwohin zu wollen. Für ‚The Endless River‚ ist der Weg das Ziel, konkrete Destinationen hat das treibende Plätschern (irgendwo ist die Platte durchaus Anwärter auf den  vielleicht adäquatesten Albumtitel des Jahres) keines vor Augen, hängen bleibt von den einzelnen Passagen im Grunde kaum etwas: der leidlich feurige Percussion-Part in ‚Skins‚ eventuell, ‚Talkin‘ Hawkin‚ mit Stephen Hawking als Gaststimme, das Pathospinao-Intermezzo ‚Anisina‚ mit seinen über die Stränge schlagenden Klarinetten und Saxofon-Wattierungen oder ‚Louder Than Words‚, als selbstreferentiell überhöhter, einziger richtiger Song in dieser Trackwelt, der aber das große ‚High Hopes‚ nicht als versöhnliches Schlußwort der Band ersetzen kann, sondern vor allem besseren Zeiten nachtrauert.

Überhaupt: die Stimmung der Platte gibt sich zu jedem Zeitpunkt angenehm sphärisch und zeitlos, mehr noch, das ureigene Pink Floyd-Gefühl stellt sich in diesem Klangfluss quasi automatisch ein – wenn auch auf Kosten jeglicher Kreativität: die Collage ‚The Endless River‚ legt sich ohne jegliche Magie (und bisweilen auch ekennbare Leidenschaft) immer wieder arg kalkulierend selektiert in die Erinnerungen an längst gespielte Harmoniefolgen der Band – an ‚Shine on You Crazy Diamnond‚, ‚The Wall‚, ‚Saucerful of Secrets‚ und andere Großtaten – dümpelt dabei aber immer wieder zu nahe am Rande des uninspirierten Selbstplagiats und wirkt bisweilen wie ein Schatten der 80er auf Autopilot, der sich zwischen Softrock, New Age-Ambientflächen und psychedelisch angehauchten Progressiv-Score vor allem von der Nostalgie seiner Hörer ernährt.
Daneben aber steigt das Geschehen als beiläufig stimmungsvoller Hintergrundsoundtrack durchaus gefällig empor, nimmt das Kopfkino an der Hand zu gedanklichen Reise, und sei es auch nur, um wie Pink Floyd selbst den Hochzeiten nachzuweinen. Letztendlich ist ‚The Endless River‚ damit ein paradoxes Werk: es scheitert nicht an seinen Zielen – ist deswegen aber noch kein gutes Album geworden; es ist keineswegs der Schlussakt, der das Ansehen von Pink Floyd in den Schmutz ziehen würde, oder die Discography der Band gravierend beschämen würde – tut aber dennoch kaum jemandem einen Gefallen, weil es musikalisch zu wenig gewichtig wirkt und darüber hinaus vor allem zu unnötig ist, um zu mehr als einer Fußnote mit Schieflage zu werden. Ohne nennenswerte künstlerische Relevanz ist es schlichtweg zu egal ausgefallen und erleidet dadurch vielleicht das schlimmste Schicksal: trotz seiner klaren musikalischen Verankerung im Gesamtwerk erfährt es seine Wahrnehmung irgendwo außerhalb des sonstigen (vollwertigen) Kanons von Pink Floyd.

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1 KommentarKommentieren

  • heavydidi - 13. November 2014 Antworten

    Danke!
    Man hätte das auch kürzer sagen können. Aber es trifft voll zu!
    Die alten Männer scheitern am eigenen Anspruch, nicht an der geschickten Arbeit im Tonstudio. Klingt wie PF, ist PF. Aber ohne Seele!

2 Trackbacks

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