Pig Destroyer – Book Burner

by on 29. Oktober 2012 in Album, Heavy Rotation

Pig Destroyer – Book Burner

Nach fünfjähriger Pause kehren die Meister ihrer Klasse Pig Destroyer mit einem Album zurück, das zeigt wo der Grindbartl den mit Gift und Galle versetzten Most so holt. Stilistisch geht es einen Schritt nach vorne und zwei zurück, qualitativ bleibt man den meisten Kollegen im Genre immer noch Lichtjahre voraus.

Von allen Metal-Spielarten ist es vielleicht am schwierigsten Empfehlungen für Grindcore auszusprechen. Man kann in den Lobeshymnen noch so viele Schwärmereien über musikalisches Genie, Gespür für Rhythmik und Groove, lyrische Glanztaten, beklemmende ge“sang“liche Leistungen – ja, Relevanz für zeitgenössische alternative Musik – verarbeiten, im Endeffekt wird man gerade hier (und wahrscheinlich am anderen Geschwindigkeitsende des Metal-Spektrums) wohl mit den größten Meinungsverschiedenheiten über die korrekte Definition von „Musik“ konfrontiert werden. Was ja auch nicht zuletzt an der Selbstdarstellung die nicht wenige Vertreter des Genres pflegen liegen mag, halten sich doch Bands die konsequent politische Statements propagieren mit jenen denen es mehr um morbid-obszönes Auftreten, einen gewissen Ekel-Faktor, geht, die Waage. Oberflächlich sieht bzw. hört man da nicht viel mehr als Songs die schneller wieder vorbei sind als ihr Beginn wahrgenommen wurde, gutturales Gegrunze kontra kehliges Gekreische, Pornoästhetik, Geschwindigkeit die sogar unkoordiniertes Herumstolpern dazu unmöglich macht.

Pig Destroyer sind seit jeher eine Bank in diesem Genre. Momentan aus Mastermind (und als EDV-Techniker bei der US-Regierung geschätzten) Scott Hull, Vocalist und Lyriker J.R.Hayes, Drummer-Neuzugang Adam Jarvis und dem seit 2006 für elektronische Untermalung zuständigen Blake Anderson, bestehend, kommt die Band seit jeher ohne Bass und zweite Gitarre aus. Eine ziemlich abgespeckte Grundformation wenn man bedenkt, dass es im  Genre in erster Linie um die Präsenz von als Musik verpackten Lärm geht. Und bereits im klassischen Vier-Song-aufs-Maul-Einstieg von ‚Book Burner‘ wird verdeutlicht wie man jegliche vermeintliche Einschränkung durch die Instrumentierung umschifft. Hull schmettert Riffs im Sekundentakt, dass man nicht nur meint ein komplettes Jahr an modernen Thrash-Releases innerhalb von wenigen Minuten um die Ohren geschleudert zu bekommen, sondern auch recht bald ein deutliches Bild des Talentes von dem Mann spendiert bekommt.

Nicht nur dass aktuelle Album, sämtliche Releases der Band bis zurück zum – freundlich ausgedrückt – knochigen Debut ‚Explosions in Ward 6′ von 1998 Atmen verweste Metal-Geschichte, und das liegt nicht zuletzt an Hull’s furiosem, ausgefeiltem Spiel, das sowohl in Varianz als auch handwerklicher Umsetzung Seinesgleichen sucht. Man könnte ‚Book Burner‚ in seiner Struktur einen Rückschritt vor das grandiose letzte Album ‚Phantom Limb‚ von 2007 unterstellen, dass vergleichsweise  zugänglicher, nachvollziehbarer war. Da bestanden die Songs noch gelegentlich aus sich episch aufbauenden Gitarrenmosaiken; Slayer-Hommagen gab es plakativ in den Songtiteln, nicht wie hier mit der ‚Raining Blood‘-Verneigung ‚Permanent Funeral‘ als mehrminütiges musikalisches Schaustück der Beteiligten am Ende des Albums.

Zurück am Beginn gibt es recht bald angenehme Überraschungen. Adam Jarvis ist nicht nur ein ausgezeichneter Ersatz für den nicht minder begabten Bryan Harvey aus vergangenen Tagen, mehr noch als sein Vorgänger bietet er Hull’s Gebrettere durch die Songs optimal die Stirn. Jede Phrasierung sitzt, wirkt niemals aufgesetzt. Das Fehlen der verbindenden Rhythmusstation Bass fällt zu keinem Moment auf, die zwei Musiker zeigen sich perfekt aufeinander abgestimmt, fast möchte man von einem Umgarnen sprechen. Einem recht Gewalttätigen zwar, nichtsdestotrotz ist die Qualität mit der die beiden Instrumente bedient werden derart verzahnt, dass es eine Freude ist. Präzision ist überhaupt das Zauberwort: unzählige stop-and-go Abschnitte unterteilen selbst kürzeste Songexplosionen in kleine, kranke Kapitel, und Jarvis ist dieser Herausforderung mit der Genauigkeit eines Schlagzeugroboters gewachsen. Das Gefühl dass in diesen gewaltigen Ausbrüchen steckt ist schier überwältigend, der Groove, der die noch so straffen Moshparts vorantreibt, im Genre wenig gehört.

J.R. Hayes als Shouter der Band war schon immer einer derjenigen mit höherem Wiedererkennungswert, trotz in der Vergangenheit oft verzerrter Stimme. Er verlässt sich mehr auf an Hardcore orientiertem Gebrülle als ansonsten üblicher Verdauungsgeräusche jeglicher Tonlage, und obendrein serviert er die wutgeladenen, gerne deftigeren Inhalte seiner Texte in Form beinahe poetischer Ausformulierungen (nicht umsonst beeinhaltet die Deluxe-Version des Albums neben einer Cover-EP von Punk-Klassikern der Bad Brains über Misfits bis hin zu Minor Threat auch die  Kurzgeschichte ‚The Atheist‚ aus seiner Feder). Schon mit dem dritten Song nimmt sich Hayes am Mikrofon jedoch zurück, und gibt an Hull’s Agoraphobic Nosebleed-Kollegen Richard Johnson und Katherine Katz ab. Letztere sorgt dann mit einer der momentan wohl markerschütterndsten weiblichen Stimmen im Extrem-Metal – geschult unter anderem in der Sludge-Band Salome – für zwei der Albumhighlights, das Mosh-Monster ‚Eve‘ und ‚The Bug‘, welches mit seiner einleitenden, an das Intro des 2001er Albums ‚Prowler in the Yard‘ gemahnenden, Predigt über Kunst, und knapp zweieinhalb Minuten Metalgestus in Perfektion auch gut an den Beginn des Albums gepasst hätte.

Ohne dass Hayes Stimme auf den letzten Alben auch nur Ansatzweise gedroht hätte langweilig oder anstrengend zu sein, dienen die eingestreuten Gastbeiträge (zu denen auch Misery Index-Frontmann Jason Netherton zählt), sowie der Entschluss die Verzerrung der Vocals auf ein Minimum zurückzuschrauben, unbestreitbar der Abwechslung und halten das Album stets frisch. Und einen Song schöner einzählen als Hayes ‚Valley of the Geysers‘ kann vermutlich auch nur noch Phil Anselmo. In einem Atemzug mit „The Bug“ ist dann letztendlich auch die Arbeit von Blake Anderson lobend zu erwähnen, der einen mit verstörenden Sprachsamples und hintergründig wabernden Soundscapes ständig daran zweifeln lässt ob man es jetzt mit Werkzeugen zur Schaffung einer morbiden Atmosphäre oder subversiven Nachrichten zu tun hat. So oder so dienen seine Beiträge als hier und da eingestreute und willkommene Anker für die Ohren in all der Raserei.

In einem an qualitativ enorm hochwertigen Metal-Alben jeglicher Art besonders reichem Jahr unterstreicht ‚Book Burner‚ besonders stark die Ausnahmestellung seiner Schöpfer. Neunzehn Songs, etwas mehr als dreißig Minuten, keine Prise zuviel, egal von welcher Zutat. Trotz all der Gewalt, all der Symbolik und dem Gekeife über Kunst, Missverständnis oder Politik – in erster Linie geht es hier um Spaß, Spaß an Riffs, Spaß an Gebrüll, Spaß an Maschinengewehrgeknatter, Spaß an Breaks, Spaß am Kleinholz produzieren, und um all die wichtigen Einzelheiten die auch bei noch so heftiger Bollermusik zu einem großen Ganzen werden müssen, um zu funktionieren. Und Pig Destroyer gelingt das unweit der Perfektion.

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