Pianos Become The Teeth – Drift

by on 18. September 2022 in Album

Pianos Become The Teeth – Drift

Auch wenn die überragenden Ausnahme-Songs diesmal fehlen, arbeiten Pianos Become The Teeth für ihr Fünftwerk Drift erfolgreich am individueller aufgefächerten, wieder variabler werdenden Sound ihres zweiten Lebens.

Um nach der relativen Gleichförmigkeit von Wait for Love (2018) wieder mehr Vielseitigkeit in das mit Keep You (2014) begonnene Spektrum zu injizieren, schließen Pianos Become the Teeth gewissermassen einen Kreis: Für Drift sitzt wieder Kevin Bernsten an den Reglern, der bereits für Old Pride (2009) und The Lack Long After (2011) verantwortlich zeichnete.
Ohne deswegen eine Symbiose zwischen den beiden Phasen der Bandgeschichte zu evozieren (wie es vor allem Hiding war), bekommt der vom Slowcore beeinflusste Leisetretter-Indie des Baltimore-Fünfers nun wieder merklich expressionistischere Impulse im homogenen Fluss – selbst wenn der vorab prolongierte Trieb zu Experimenten dann doch weniger explizit, denn einer behutsam eingeflochtener Ausprägung folgend ist.

Out of Sight bimmelt wie ein naturalistisches Windspiel mit erahnbaren Field Recordings, in dem erst nur der elegische  Bass Spannung in der ätherischen Verträumtheit forciert. Die Vocals verschwimmen von Acapella-Ansätzen zu Loops im Chant, bevor die Rhythmussektion den Opener zur Mitte hin postrockig im Reverb des Shoegaze aufgehen lässt. Das flott-zügige Genevieve erinnert in seinem beschwingte Fingerpicking an In Rainbows, obwohl der wunderbar imaginativ-hypnagogische Refrain somnambul abtaucht, und die Single später gar einen clean vom Post Hardcore zum Screamo reizenden Schub a la Touché Amoré bekommt. The Tricks assoziiert mit dem straighten Drive des Schlagzeugs in Symbiose mit den kontemplativen Gitarren sowie den elektronischen Postpunk-Färbungen an Interpol oder Preoccupations, einen sanften Biss zeigend. Das hervorragende Easy ist ein weich-melodisches Geplänkel über dem unaufgeregt nach vorne gehenden Takt in den Moon Shaped Pool, das sich in seiner verträumten Zwanglosigkeit einfach so wohl fühlt. The Days übernimmt dort beinahe nahtlos, hat durch den grummelnden Bass aber eine ganz andere Präsenz, tritt im Chorus energischer auf und legt sich für das Finale sogar flehend in Kurve – so dringlich und offensiv hat man Pianos Become the Teeth schon länger nicht mehr gehört.

Dagegen wirkt die zweite Hälfte der Platte beinahe unscheinbar, ist aber im Grunde nur der (weitestgehend) noch dezentere Part eines Growers, der nebenher einnehmend ebenso viel Schwerkraft erzeugt, wie er durch seine Einfühlsamkeit auf emotionaler Ebene mit jedem Durchgang tiefenwirksamer und intensiver wird.
Als kontemplativ-melancholische Ballade hält Mouth dynamisch den Schub in die stellar-nautische Schwerelosigkeit und das besonnene Skiv behutsame Saxofon-Erinnerungen in seine Texturen einflicht. Hate Chase erscheint im Kontext beinahe poppunkig und unbeschwert, als würden Thursday munter poltern, aber auch etwas unverbindlich über 116 Sekunden den Rahmen auflösen wollen, bevor sich Buckley hinten raus beherzt aus der Zurückhaltung im abwartenden Groove aufschwingt, sich jedoch eine friedliche Ausgewogenheit im Klimax behält, und Pair eine so behutsame Aufbruchstimmung zeigt, die tröstend erhebend auch hymnisch sein könnte, aber lieber bescheiden bleibt.
Das hoffnungsvolle Wesen von Drift entsteht eben eher aus dem vorsichtigen Kontrast dezenter Abwechslung, nicht aus erschlagenden Ausbrüchen im tollen organischen Sound. Trotzdem hat der Sog, den das Quintett einmal mehr entwickelt, diesmal eine subkutane Explosivität wiedergewonnen, die vielleicht erst mit viel Zuwendung entdeckt werden will, dabei aber die Faszination für Pianos Become the Teeth mit hungrigerer Leidenschaft aufrecht hält: man wird diese kurzweiligen 38 Minuten gerade mit ein wenig Abstand wohl ebenso innig ins Herz schließen, wie seine Vorgänger.

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