Pharmakon – Maggot Mass

von am 8. Oktober 2024 in Album

Pharmakon – Maggot Mass

Die Tour im vergangenen Jahr legte nahe, dass der Nachfolger von Devour die womöglich „greifbarste, straighteste und unmittelbareste Form von Pharmakon artikulieren könnte“. Maggot Mass ist tatsächlich all das. Und sogar ein bisschen mehr.

Als Margaret Chardiet das noch nicht voll ausgebrütete Material in die freie Wildbahn provozierte, ließen sich nämlich zwar bereits Rückschlüsse auf den Inhalt und die Form ihres fünften Studioalbums (das die alphabetisierende Tradition seiner Vorgänger ohne falsche Rücksicht frevelhaft bricht) ziehen, die sich nun entlang sehr kurzweiliger 31 Minuten bewahrheiten. Doch spannt die 34 jährige New Yorkerin die Zügel des angestammten Death Industrial und Harsh Power Noise im Studio sogar noch weiter an, indem sie den abrasiv verstörenden Abgrund in greifbarere Strukturen lenkt, den Faktur Musik im Lärm kultiviert, ihre Vocals klarer produziert und diesmal – in der Relation ihres Kosmos zumindest – tatsächlich ansatzweise richtige Songs anstelle von tonal beklemmenden Panikattacken geschrieben hat.
Deswegen muss man nicht gleich von einer zwingenden Eingängigkeit fantasieren, doch die Evolution von Pharmakon zu einem Mehr an Zugänglichkeit (was bei ihr freilich eher ein Weniger an abstoßender Garstigkeit bedeutet) schreitet voran und setzt nach der mit Abstand längste Pause in der Diskografie von Chardiet mehr oder minder den Weg von Contact fort.

In Whither and Warp schrecken die Fliegen aus dem verwesenden Kadaver der Konzept-Platte hoch. Pharmakon rezitiert tief mit kehlig-rauer Stimme am Death zu einem dumpf pulsierenden Rhythmus unter dem maschinellen Klackern. Die Texturen sind notorisch detailliert lebendig, wie ein Mikrokosmos aus wuselnden Maden, die den Industrial immer weiter in ein Kaninchenloch lotsen, wo der markante Basslauf vergiftet und alles Drumherum im kreischender Noise atmet.
Auch Methanal Doll baut auf eine martialisch-misanthropische Percussion, ruft dazu aber ein quälendes Schnaufe zu…nun ja, Hooks!  im hasserfüllten schwarzen Loch. Irgendwie ist das tatsächlich eine catchy Klaustrophobie, vom poppigen Hass im kalten Strom zerfressen: Hat man je einen Pharmakon-Ohrwurm gehabt, dann ist es dieser Kotzbrocken von einer elend groovenden Single.

Nachdem das Intermezzo Buyer‘s Remorse als Feedback-Tirade in sich geht bounct Splendit Isolation dann gar wie ein verzerrtes Nine Inch Nails-Prisma mit gegenlaufenden Spannungsbögen und erhebend knechtender Dynamik, das hymnisch marschiert und doch nur sich selbst verzehrt, bevor das erst schleppende Halluzinogen Oiled Animals alsbald ein einen bösartigen Sog verfällt, in dem Pharmakon dämonisch besessen beinahe in Trance waschechte Melodien….singt: ein Karrierehighlight!
Und natürlich ist auch Maggot Mass bis zu diesem krönenden Finale wie jedes Pharmakon-Werk immer noch ein Kampf für den Hörer mit sich selbst; jede Annäherung an eine konventionellere Verdaulichkeit mit Vorsicht zu genießen. Aber die Schnittmenge aus Selbstüberwindung und kakophonischem Martyrertum liegt diesmal näher denn je bei einem Unterhaltungswert mit Suchtfaktor. Noch faszinierender ist da nur die Aussicht, welche Türen hiernach weiter denn je für die Musikerin offen stehen.

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