Phantom Winter – Into Dark Science
Es ist anhand von Into Dark Science schwer zu bestimmen, ob die Welt von Phantom Winter tatsächlich immer beklemmender und finsterer wird, oder ob die imaginative Intensität der von der Band erzeugten Atmosphäre nur mit jeder neuen Platte noch cinematographischer in die Tiefe zieht.
Klar ist hingegen, dass es das Quintett aus Würzburg auf dem mittlerweile dritten Studioalbum verstanden haben, ihren Signature Sound im beklemmenden Spannungsfeld aus Sludge, (Winter) Doom, Crust, Black- und Post Metal an der Einzugsschneise von Seelenverwandten wie Amenra oder Thou nicht nur weiter zu prägen, sondern die Extreme in der Bandbreite abermals zu verfeinert: Phantom Winter beackern ihre ureigenen Albtraumgefilde gleichzeitig noch garstiger als bisher und sorgen dennoch auch für anmutigere Szenen von, nun ja, einer gewissen Schönheit im fauligen Morast – durchaus mit konzeptuellen Hintergrund: Into Dark Science „is a journey through the dark worlds of authors Sylvia Plath and Mary Shelley. Into Dark Science is a way to accept and channel my inner demons to create something worthwhile and productive“ erklärt Mastermind Andreas Schmittfull.
Into Dark Science ist subjektiv etwas schwerer zugänglich als die beiden Vorgänger CVLT (2015) und Sundown Pleasures (2016), entfaltet seine Tragkraft dafür aber noch nachhaltiger. Was auch an individueller geprägte Momenten liegt, die die absolute Sicherheit einer Band zeigt, die ihre Vehemenz mittlerweile längst mit beklemmender Dichte spielt und so ganz (selbst)bewusst Raum für Szenen legt, die vor den Kopf stoßen können.
Gleich im Opener The Initiation Of Darkness begegnet beispielsweise ein solcher, wenn Phantom Winter ihre unerbittlichen Stärken unmittelbar ausspielen – schwerfällig, schroff und kalt – und über verbrannte Erde schleppen, während sich die Gitarren psychotisch aufreiben und das paranoid-schizophrene Gesangs-Doppel von Schmittfull und Christian Krank aus röchelndem Gebrüll und hysterisch-panischen Gekeife von akzentuierten Riffkaskaden überrrannt, unterspült wird – und ein ambienter Zwischenpart sich plötzlich von einem sinister konterkarierenden Piccoloflöten-Motiv verführen lässt.
Ein konterkarrierender Mindfuck, der erst (ver)störend (deplatziert) wirken kann, nach dem x-ten Durchgang aber als neugierig bei der Stange haltender, eigenwilliger Charakterzug durchgeht – zumal The Initiation Of Darkness hinten raus die Brandung der Band eine ästhetische Sogwirkung auftürmt, die hypnotisch bis zum Glockengebimmel transzendiert.
Ebenso ambivalent wie diese einsame instrumentale Entscheidung gerät ganz allgemein die Ausarbeitung der greinenden Gesangparts, die als polarisierender Zankapfel in der Waagschale liegen: Wo die schreiend-quäkenden Passagen neben den beängstigend gebrüllten als Zankapfel in den besten Momenten stimmig und geradezu symbiotisch funktionieren, können sie in den weniger packenden weiterhin zu forciert und unnatürlich wirken. Am markantesten nachzuhören, wenn das imposante Frostcoven (in der referentiellen [amazon_link id=“B01FTPZ9JC“ target=“_blank“ ]The VVitch[/amazon_link]-Klammer) die Band erst in depressive-anmutiger Dunkelheit schwelgen und später harmonisch in martialischer Wucht attackieren lässt, irgendwann aber Gollum himself durch das Geschehen zu kriechen scheint: „Angst essen Seele auf/ Da wir es ihr befohlen“.
Ein (absurder? ikonischer? – auf jeden Fall Mut zur Unkonventionalität zeigender) Over the Top-Augenblick, dem ein wenig Understatement gut getan hätte, den man aber auch spätestens dann nahtlos akzeptiert, wenn Phantom Winter kurz darauf zwischen der beklemmenden Klaustrophobie knüppelnden Blastbeats und der monolithischen Weite finster strahlender Epik mit ureigener Bösartigkeit kasteien.
Alleine ihre instrumentale Ausdrucksfähigkeit stellt diese Band weiterhin scheinbar mühelos über ein Gros der Konkurrenz, wie das finale Goodspeed! Voyager in aller Deutlichkeit unterstreicht: Nach einem regelrecht versöhnlichen Beginn platzt der Closer umso giftiger auf, und beeindruckt mit der akribisch-detailierten Vehementz, mit der die dystopisch-bösen Gitarren hier gleichzeitig unterschwellig gegeneinander arbeiten und sich dennoch instinktiv ergänzen.
Zumal sich um diese Ecken gedacht durchaus verstörende neue Karrierehighlights aufbäumen. Ripping Halos From Angels walzt dissonant, ein Krähenschwarm ist ob des dräuenden Unheils in Aufruhr, der Blastbeat hämmert später mit epischere Kante unter all dem Dreck zur geistigen Kernschmelze, während das überragende The Craft and the Power of Black Magic Wielding den Postrock von Godspeed You! Black Emperor mit einer brachialen Ladung an Riffs peinigt, immer nur kurze Phasen des Durchatmens gestattet, aber dennoch majestätische Ausblicke ermöglicht, die noch an die epochalen Omega Massif denken lassen.
Ein nostalgische Referenz, die jedoch auch deswegen hinkt, weil Into Dark Science gerade im letzten Drittel immer besser wird, wenn der Titelsong den Morast immer schwerfälliger zu bewegen scheint, die Band wie in Trance in ihren Moloch zieht, Konturen aufzulösen beginnt und die Kontraste verätzen, Phantom Winter zu diesem Zeitpunkt ihren Hexensabbath nahe der Formvollendung feiern: Die Würzburger haben sich ohne Genrerevolution endgültig ihre eigene Nische geschaffen, in der sie ihren Trademarksound fesselnd kultivieren. Und gerade auch weil sie es dabei nicht jedem Recht machen wollen, bleibt die Luft nach oben verdammt dünn.
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