Peter Doherty & The Puta Madres – Peter Doherty & The Puta Madres

von am 13. Mai 2019 in Album

Peter Doherty & The Puta Madres – Peter Doherty & The Puta Madres

Hemmungslose Nostalgie und (Selbst-) Referenz: Durch seine fahrige neue Backingband The Puta Madres wird der Indierock des Peter Doherty in den schlendernden Irish Folk transportiert.

Bis zu einem gewissen Grad ist der Einstand mit den Puta Madres auch deswegen die beste Veröffentlichung von Pete(r) Doherty seit über einem Jahrzehnt geworden, da es ästhetisch zumindest ansatzweise das Album andeutet, das man sich von den Libertines anstelle des zu stromlinienförmig polierten Anthems for Doomed Youth erhofft hatte. Weil etwa alleine The Steam wie eine schnörkellose Anlehnung an The Man Who Wold Be King klingt, man das schmuddelige Narcissistic Teen Makes First XI aus den BabyshamblesSession-Archiven der frühen kennt und der Opener All At Sea ohnedies eine alte B-Seite der Libertines ist – eben angepasst an den Sound der neuen Band, die mit Keyboards und Fidel sowie den ehemaligen Vorband-Dude Jack Jones an der zweiten Schrammelgitarre merklich am schief schunkelnden Shanty-Vagabundentum interessiert ist.
Doherty macht also auf keiner Ebene ein Geheimnis daraus, dass er eine Platte aufgenommen hat, die sich vordergründig aus einer romantischen Nostalgie speist, hemmungslos in der Vergangenheit geblieben ist und deswegen im wehmütig wiegenden Someone Else to Be The Velvet Underground auf fast schmerzhaft schief nölende Art covert und nebenbei auch noch ganz ungeniert Oasis zitiert.

Vor allem aber ist da diese produktionstechnische Schludrigkeit und inszenatorisch spontan aus dem Handgelenk geschüttelte Nonchalance, die dem schlampigen Wesen Dohertys einfach und simpel in die Karten spielt; die stets suggeriert, dass mit ein bisschen mehr Wollen auch ein Meisterwerk möglich gewesen sein hätte können – auch wenn das meistens (jedenfalls: ohne Carl Barât und Mick Jones) eigentlich gar nicht drin wäre.
Zumindest motivieren die Puta Madres Doherty kaum zu genialistischen Höhenflüge, sondern lassen die Dinge auf einem Streifzug durch die Geschichte der Insel (von The Pogues über „früher war allgemein alles besser“ bis zur Indie-Welle der frühen 2000er) gerade hinten raus als unangestrengte Nabelschau betont zerfahren plätschert. Geplänkel wie Lamentable Ballad Of Gascony Avenue oder A Fool There Was sind nett und durchaus eingängig, aber passieren unheimlich nebensächlich und sind nicht nur schnell vergessen. Abseits der impulsiv-entspannten Attitüde bleibt rund um den grandios-unausgegorenes Skizzen-Clusterfuck Shoreleave sowie das ziellos krampfende Anti-Spektakel Punk Buck Bonafide praktisch kaum etwas nachhaltig hängen, während die an sich schön zurückgenommen träumende Miniatur Travelling Tinker nach ihrem gar zu archetypischen Erwachen unterstreicht, dass die Puta Madres in kreativer Hinsicht charakteristisch und individuell doch zu eindimensional aufgestellt sind, um Doherty die Reibungspunkte zu bieten, die er bräuchte.

Trotzdem (oder gerade deswegen) stellen die meistens kurzweiligen, aber nicht ohne Längen auskommenden 50 Minuten rundum zufrieden – wenigstens langjährige Begleiter des mittlerweile gesetzter gewordenen, unglaublicherweide die 40 passiert habenden Libertine.
Und für alle anderen gibt es ja noch die Aushängeschilder Who’s Been Having You Over und Paradise is Under Your Nose. Eines wechselt vom schwergängigen Orgeln zur flott rumpelnden Schmissigkeit und ist neben der Spur fistelnd einer der stärksten Songs, die Doherty seit seinen Heydays eingefallen ist – wohingegen das andere als sehnsüchtig schunkelndes Duet mit Jones als Stichwortgeber mit viel Kitsch in den Fußspuren der großen Balladen der Libertines und Babyshambles wandelt. Kann man so machen!
Obwohl Doherty und seinen Puta Madres also im weiteren Verlauf der Platte die Luft ausgeht, ist da übergreifend doch enorm viel Gefühl und Potential im Spiel; eben sogar die so begründet wie lange nicht lauernde Ahnung, dass da diesmal mit ein bisschen mehr Wollen (oder: externen Impulsen abseits seiner neuen Gang von zwanglosen Ausgestoßenen, plakativ abgehalfterten Obdachlosen und aktuellen Lebensabschnittspartnerinnen) tatsächlich mehr drinnen gewesen wäre als „nur“ der Einschlag einer Gangart, mit der man als Fan auf absehbare Zeit (und vielleicht auch ohne pressierendes Ablaufdatum) verdammt gut leben kann.

Print article

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen