Perturbator – The Uncanny Valley
James Kent alias Perturbator war rund um die Beiträge zu den großartigen Hotline Miami-Soundtracks sowie sein hervorragendes 2014er Werk Dangerous Days einer der großen Gewinner der französischen Retro-Dark-Synthwave-Welle.
Dass der ehemalige Black-Metalhead mit The Uncanny Valley nicht nur an das Niveau dieser Durchbruchsmomente anknüpft, sondern die tief in den 80ern verankerten Synthesizer auf seinem vierten Studioalbum gleich noch weiter auf ein neues Level vorantreibt, damit konnten wohl dennoch nur eingeweihte Szenekenner rechnen.
So oder so: Eine lange Vorlaufzeit gönnt Perturbator nun aber weder den hiermit euphorisch bedienten Fans, noch all jenen Neujüngern, die The Uncanny Valley aus den Warteschlangen von Daft Punk, Kavinsky und Justice (Audio, Video, Disco ist auch schon wieder eine Zeit her, wie da plötzlich auffällt) rekrutieren wird: Neo Tokyo reißt als martialischer Beginn mit wuchtigen Cyberpunk-Attitüde unmittelbar hinein in die retrofuturistische Welt des Perturbator, lässt die Percussion auf wuchtige Bässe und pumpende Rhythmen prallen, dramatische Verfolgungsjagd-Arrangements und vielschichtig texturierte Wall of Sound-Keyboards um die Wette rasen. Fett knallende VHS-Highwaymusik für Akira und Co., diesmal mit Dämonen im Rückspiegel. Was folgt ist eine assoziative, das Kopfkino intensiv bearbeitende Achterbahnfahrt durch einen Thriller, in dem das unberechenbare The Uncanny Valley eine Vielzahl an neongrell ausgeleuchteten Seitengassen, bedrohlichen Schlupfwinkel und dämonische Abgründe meint – und diese auch mit einer schweißtreibender Bandbreite auskundschaftet.
Dabei nimmt The Uncanny Valley nach dem furiosen Beginn das Tempo erst einmal zurück und lässt dafür die Atmosphäre vielschichtiger glimmern: Wie selbstverständlich in einem Death Squad schonungslose Aggressivität und melodische Eleganz einhergehen, das ist schon großes Kino im Stil von John Carpenter, Blade Runner und dem Terminator, dessen Schönheit hinter der Brachialität auch Blanck Mass gefallen dürfte.
Da reihen sich dann jazzig verruchte Noir-Stimmungen (etwa im melancholischen Femme Fatale mit Highway Superstar) nahtlos an zartbesaitet hämmernden Pop (in Venger streichelt die sphärische Stimme von Greta Link, das träumende Sentient nimmt mit Hayley Steward dem scheinbar auf ewig hinausgezögerten Chromatics-Comeback ein wenig den Wind aus den Segeln), bevor Disco Inferno seinem Titel entsprechend zur Tanzfläche bollert und dort slicke Wahwah-Gitarren und eine finstere Mitternachtsflair verschlingt, während apokalyptische Chöre aufzubegehren drohen.
Genau nach dem vertonten Soundtrack für The Cult Of 2112 klingt Perturbator immer wieder, wie sich da im Untergrund schlummernden Beschwörungsformeln ungemütlich aufbauen und den abschließenden Titeltrack zwischen Ambient- und Dronesegmenten treiben lassen. Wenn The Uncanny Valley mit Brechern wie dem Geschwindigkeitsrausch She Moves Like a Knife oder einem hart brutzelnden Diabolus Ex Machina (dessen Gitarrensolo klingt, wie Steve Vai wohl auf Junk hätte auftrumpfen sollen) faszinieren, mutieren die 78 versammelten Minuten zu einer Platte, die wie eine effiziente Maschine ein Zahnrad in das andere übergehen lässt: Alles sitzt am richtigen Ort, jedes Detail funktioniert makellos und schüttet mit einer inneren Getriebenheit Adrenalin aus, steckt voller schlauer Details und entspannt sein beeindruckend dichtes Charisma über eine stilistische Konsequenz, die den emotionalen Szenen dennoch Raum zugesteht.
Deswegen muss man sich auch kaum Gedanken darüber machen, dass dem bärenstarken Gesamtkonstrukt The Uncanny Valley abseits seiner zahlreichen Highlights (die ausgerechnet und vor allem jene Songs mit Gastgesang darstellen) vielleicht nur der eine oder andere unbedingt entwaffnende, herausragende Hit abgeht – oder zumindest ein bisschen Kompaktheit in den mäandernden Phasen -, um inmitten seiner erschöpfenden Konsistenz restlos auszuknocken. Eventuell liegt dieser relativierende Blickwinkel aber auch daran, dass Perturbator selbst auf der unmittelbar hinterhergeschobenen (und wie immer großzügig via Bandcamp feilgebotenen) Bonus-EP unmittelbar vorzeigt, dass er durchaus noch in der Lage ist sich weiterhin zu steigern. Um die französische Elektronik muss man sich jedenfalls auch während der Abwesenheit ihrer Superstars keine Sorgen machen.
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