Perfume Genius – Put Your Back N 2 It
Die makellose Steigerung zum Debütalbum ‚Learning‚: ‚Put Your Back N 2 It‚ hat noch bessere Songs und ist dazu richtig produziert. Ein abgründiger, formvollendeter Traum von einem Album – samt Kloß im Hals.
Mike Hadreas hat das große, traurige, wunderschöne Popalbum geschrieben, dessen Schatten das rundum gelungene ‚Learning‚ 2010 bereits vorweg geworfen hat. Schon damals konnte sich der aus Seattle stammende Singer Songwriter mit Lo-Fi Juwelen eine Nische im Blickwinkel von Sufjan Stevens schaffen, mit verträumten Pianoballaden eine zugänglichere Version von Xiu Xiu möglich erscheinen lassen und das Popverständnis der Magnetic Fields in abgedunkelte Schlafzimmer verführen. Das war ein leicht zu übersehender Talentbeweis, mehr noch ein Versprechen an die Zukunft – welches ‚Put Your Back N 2 It‚ nun einlöst und Erwartungshaltungen mit einer geradezu nebensächlichen Leichtigkeit überflügelt.
Der unterproduzierte Sound der ersten Platte ist auf dem Zweitwerk einem breiteren Klangspektrum gewichen, das eingesetzte Instrumentarium entsprechend erweitert worden, zum Bandsound gewachsen. Im weit offenen ‚Take Me Home‚ wimmern so countryinfizierte Gitarren, der Refrain von ‚No Tear‚ lädt sich selbst irritierend mit Voice-Effekten auf. Im Zentrum bleiben für Perfume Genius jedoch weiterhin pianogetriebene Songbrocken, anschmiegsam in ihrer unheimlichen Melodiesucht, aufreibend in ihrer klaustrophobischen Dichte und erschütternd in ihrer lyrischen Verzweiflung. Hadreas thematisiert Schwulenhass und Missbrauch, singt über Drogenabhängigkeit und Prostitution: „In the body of a violin/ String it up on a fence / Cover it with semen /I am done, I am done with it“ fleht Hadreas eindringlich im „gay suicide letter“ ‚17‚ und nicht zuletzt in textlicher Hinsicht ist ‚Put Your back N 2 It‘ ein gewalttätiger Brocken geworden, zermürbend und mit melancholischer Schlagseite, die nicht selten in die Depression zu kentern droht.
Die kompakten 32 Minuten entpuppen sich im Kontrast zu den verstörenden Texten als in der Zwangsjacke wütende, astreine Popsongs mit Konsenspotential. Die Eindringlichkeit der Stücke irritiert dabei ebenso wie die unmittelbare Intimität der Aufnahmen. Nicht zuletzt die fulminante Entwicklung, die Hadreas als Songwriter hingelegt hat, merzt die wenigen Schwächen des Debüts vollends aus, strafft die Stücke an den richtigen Stellen und leuchtet diese in geheimnisvollem Zwilicht aus. ‚Put Your Back N 2 It‚ bietet Raum für Entdeckungen und hat offenkundig doch so unfassbar viele potentielle Hits in petto: etwa das geradezu pompöse Kraft-tankende ‚Hood‚, das elektro-infizierte ‚Floating Spit‘ oder das beängstigend sehnsüchtige Kammerspiel ‚Normal Song‚, welches in seiner filigranen Zerbrechlichkeit die ungesunde Selbstgeißelung der Platte auf den Punkt bringt. Nach solchen Songs sucht Antony Hegarty seit einigen Jahren vergeblich.
Dabei funktioniert das Sammelsurium an großartigen Songs noch besser als homogenes, niemals zu gleichförmiges Ganzes, als niederschmetternde Tour de Force durch Hadreas Seelenwelt und als Juwel der großartigen Melodien. ‚Put Your Back N 2 It‚ überzeugt auf den ersten Blick mit seiner zugänglichen Ader, glänzt auf lange Sicht jedoch vor allem durch die Funktionalität auf anderer Ebene: Perfume Genius spricht zum Unterbewusstsein, transportiert Ängste und Verzweiflung – und wärmt doch hoffnungsvoller als alles, was die Popmusik 2012 bisher ausgespuckt hat.
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