Pearl Jam [25.06.2014 Stadthalle, Wien]
Das kann man offenbar nicht einmal mit einer verbissen zur Schau gestellten Abneigung scheiße finden: Konzerte von Pearl Jam sind immer noch – und immer wieder – Rockmessen von messianischer Intensität, die in ihrer eigenen Liga spielen.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die beiden letzten Studioalben ‚Backspacer‚ und ‚Lightning Bolt‚ durchaus auf die eine oder andere Art gewisse Ermüdungserscheinungen bei der irrigerweise immer noch hier und da mit dem Grungelabel versehenen Band aus Seattle erkennen ließen. Zwar zählen deren spärlich eingetstreuten Vertreter wie ‚Mind your Manners‚, ‚Got Some‚, ‚Amongst the Waves‚ oder ‚Lightning Bolt‚ zu den schwächeren Parts der beinahe drei Dutzend Songs umfassenden Setlist, dennoch funktionieren die Stücke im unmittelbareren Kontext deutlich stärkere als auf Tonträger – vor allem das an sich zu weichgespülte ‚Sirens‚ gewinnt an Kontur. Ob die Songauswahl gefühltermaßen an jene des letzten Wienkonzerts von vor acht Jahren heranreicht, darüber lässt sich freilich diskutieren – obwohl alleine aufgrund der Länge nahezu alle Wünsche erfüllt werden.
Wenn etwa ‚Even Flow‚ oder ‚Rearviewmirror‚ zu exzessiven Ekstasen ausgedehnt werden, ‚Brain of J.‚ aufs Gaspedal steigen darf und Bretter wie ‚Spin the Black Circle‚, ‚Do the Evolution‚, ‚Cant Keep‚ oder das furiose ‚Daughter‚ immer neue Höhepunkte bei den Ausritten durch nahezu gesamte Discographie bieten (nur das gerne unterschätzte ‚Binaural‚ wird ausgelassen). ‚Black‚ kommt erstaunlich früh und gibt sich hinten raus relativ kompakt gehalten, sorgt aber dennoch für das erste Mal an diesem Abend für Gänsehaut, ‚Alive‚ wird aus geschätzt jeder einzelnen Kehle der ausverkauften Stadthalle mitgebrüllt, hochklassige B-Seiten-Vertreter wie ‚Footsteps‚ oder ‚I Got ID‚ ausgelassen gefeiert.
Dazu gesellen sich die obligatorischen Standardcover der Band: seit längerer Zeit wieder einmal ‚Public Image‚, ‚Baba O’Riley‚, ‚Rain‚ von den Beatles und gleich zweimal „Uncle Neil“ Young (dem man doch bitte herzlich von seinen „Neffen“ Grüßen soll, wenn er am selben Ort in knapp einem Monat spielen wird). Zum einen ist da ‚Fuckin‘ Up‚ mit klassisch ausgestrecktem Mittelfinger, zum anderen ‚The Needle and The Damage Done‚, von Vedder als Einstieg in den ersten Zugabenblock im Alleingang auf der Akustischen vorgetragen.
Da erzählt der sichtlich gut aufgelegter Sänger auch dass die Stadthalle der akustisch wahrscheinlich beschissenste Ort ist an dem er je gespielt hat (ob dem tatsächlich so ist sei dahingestellt – dass der Sound vor allem matschig und wuchtig, aber kaum differenziert ist stimmt allerdings sicher) nachdem er schon Mike McCReady nonchalante Weisheiten über Drogenkonsum und Fingerfertigkeiten am Griffbrett in den Mund gelegt hat. Später wird Vedder noch auf einer der zahlreichen Lampen des Bühnenbildes (die Inszenierung der Lightshow schwankt zwischen grandios auf Intimität setzende Zurückhaltung und imposantes Muskelspiel mit drückendem Brimborium) durch die Luft schwingen, während Mc Cready sich einen Spaß draus macht den angetauchten Abrissbirnen auszuweichen; Gossard und Ament wechseln derweil für ‚Smile‚ die Instrumente, jeder einzelne wirft sich hier und da in Rockstarposen der charismatischen aber professionellen Kumpeltypen. Überhaupt ist die Stimmung auf der Bühne, vor allem aber auch davor, herrlich ausgelassen und euphorisch, ein kollektiver Endorphinschub scheint von der ersten Sekunde an durch die Massen zuz schießen – da gibt es selbst auf der Tribüne kein Halten.
Wahrhaftige Überraschungen wie wenige Tage zuvor in Italien geschehen es an diesem Abend zwar keine – dass der Rahmen mit ‚Indifference‚ und dem wunderbar erhaben inszenierten ‚The Long Road‚ beinahe andächtig gerät fällt noch am ehesten darunter – aber eine makellose Show der Extraklasse. Eben auch, weil Pearl Jam es immer noch schaffen jedes einzelne Konzert zu einem Unikat werden zu lassen und dabei niemals auch nur ansatzweise das Gefühl erzeugen dass der Enthusiasmus hinter die Routine getreten ist. Oder anders formuliert: wer nach über 3 Stunden Spielzeit keine Sekunde Langeweile aufkommen hat lassen (im Gegenteil: tatsächlich hätte die Meute der Band wohl auch einen weiteren Zugabenblock begierig aus der Hand gefressen!) und dabei nicht einmal ansatzweise alle Hits, Hymnen oder Songs für die Ewigkeit gebracht hat, der spielt vollkommen zu Recht seit über zwei Jahrzehnten in einer eigenen Liga. Diese Band ist zumindest live immer noch eine Macht an die kaum jemand herankommt.
Setlist:
Long Road
Can’t Keep
Black
Last Exit
Why Go
Spin the Black Circle
Hail Hail
Got Some
Lightning Bolt
Mind Your Manners
Severed Hand
I Got Id
Amongst the Waves
Rain
Even Flow
Sirens
Wishlist
Rats
Do the Evolution
Public Image
RearviewmirrorEncore:
The Needle and the Damage Done
Speed of Sound
Footsteps
Elderly Woman Behind the Counter in a Small Town
Daughter
State of Love and Trust
Brain of J.
Lukin
PorchEncore 2:
Smile
Fuckin‘ Up
Alive
Baba O’Riley
Indifference
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