Paysage d’Hiver – Die Berge
Tobias “Wintherr” Möckl schickt den Wanderer auf dem dritten Album (respektive dem 14. Kapitel) von Paysage d’Hiver auf eine (womöglich) letzte Reise – in Die Berge.
Nach dem vergleichsweise enttäuschenden Vorgänger Geister von 2022 ist Die Berge in all seiner rohen, wunderschönen Black Metal-Hässlichkeit gleichermaßen eine Rückkehr auf den Pfad von Im Wald (2020) wie auch eine Reise darüber hinaus.
Wo an sich simple Themen die grundlegenden Leitlinien der bis zu 18 Minuten schreitenden Songs bilden, während drumherum sägende Stürme beschworen werden, hat Wintherr 26 Jahre nach seiner ersten Demo-Veröffentlichung nicht nur einen geduldigen Umgang mit seinem Werk entwickelt, er exerziert etablierte Trademarks auf den eventuell letzten Metern auch ohne konservative Dogmen, indem er ungeschliffenen LoFi-Signaturen (die klangtechnisch aber doch merklich klarer als bisher auftreten) subversiv mit Erinnerungen an alte Facetten wie neuen Impulsen versieht.
Das überragende, die Messlatte für das restliche Album früh unerreichbar hoch legende Urgrund setzt aus der windigen Kulisse stapfend langsam in Bewegung, tackert dann mit entmenschlichten Vocals zu epischen, mysteriöse Melodiebögen, die ebenso erhaben wie beängstigend rauschende Gitarren hypnotisch peitschen und treiben, variabel intensivieren. Die bedrohliche Majestät bekommt zur Mitte hin ein fast Industrial-artiges Riffing, führt zu einem sludgigen Stoizismus, und schließt letztlich alles wie in einem soghaften Rausch rund ab.
Im Mittelteil des Atmo-Triptychons Transzendenz pflegt Paysage d’Hiver dagegen eine Art spacigen Doom, nachdem der erste Part etwas enervierend monoton sein generisches Riff repetiert (bis die Texturen hinten raus retrofuturistisch zu glimmern scheinen) und bevor Part III als Mantra stapft, wo alleine der Wille einen abgekämpften Körper schleppt. Das Leitmotiv hat da längst etwas Tragisches an sich, haucht Lebensgeister aus, lässt sich von einer ätherisch beruhigenden Erscheinung begleiten und wirkt, als würde eine körperliche Hülle zurückgelassen werden. Wundervoll!
Tatsächlich herrscht hier eher eine Ruhe vor dem Sturm, weil Ausstieg umso infernaler fetzt, das heroische Ringen mit kleinteilig drangsalierenden Attacken und erdrückenden Formen martialisch praktiziert wird. Einen individuellen Charakter bekommt die Nummer durch die malerische Friedfertigkeit am Piano, die am Ende auftaucht. Und Gipfel verschraubt seine Rhythmik und die Gitarrenarbeit mit interessanter Dynamik, um im alpinen Siegesrausch ein fatalistisches Triumphgefühl zu erzeugen, als würden Vangelis und Omega Massif sich in tektonischer Raserei an Zeitlupen-Bolt Thrower reiben. Ohne die Identität von Paysage d’Hiver auch nur ansatzweise aufzutauen. Und dennoch vertändelt Wintherr hier das Momentum, mäandert in der Komposition ausnahmsweise ein wenig.
Vor allem das relativ konventionelle, infernal reißende Verinnerlichung mit seinen dominant keifenden Schreien, bei dem alles aus der Distanz hinter einem Schneesturm verdichtet zu werden scheint, und Wiederholungen mit malmender Ausdauer einen Gipfel-Sturm-und-Drang in wahnhafter Manie zelebrieren, findet da deutlich stringenter auf den Punkt. Obgleich wir es hier mit einem Album-Album zu tun haben und Die Berge mehr sind, als die Summe ihrer Teile: abenteuerlich, aufregend, vertraut, imposant.
Dass das prolongierte letzte Kapitel der (ohnedies nicht chronologisch dargebrachten) Paysage d’Hiver-Geschichte insofern ebenso sehr den runden, befriedigenden (wenngleich nicht überwältigenden) Abschluss der Handlung darstellen kann, wie es als vielversprechender Beginn eines neuen Karriere-Abschnitts funktionieren würde, spricht dabei nur für die unglaubliche Konsistenz eines beispiellosen – vielleicht sogar mit dem Blick auf das Gesamtwerk: des besten? – Black Metal-Kanons.
Leave a Reply