Paul Weller – On Sunset
Souliger Rock mit dem Hang zum Experiment: Nach der absolut charmanten Rückwärtsgewandheit des sentimentalen Schmusers True Meanings und der einhergehenden Romantik Other Aspects modernisiert Paul Weller seinen Sound auf On Sunset.
Es ist schon verständlich, dass Weller nach dem Studioalbum von 2018 und seinem Live-Appendix von 2019 frische Impulse setzen wollte, seine Musik nicht im rührseligen Wohlklang und rein traditionellen Schönklang verlieren wollte.
Aber als wäre das grottige Artwork diesbezüglich nicht bereits Signalwirkung genug, schießt der Modfather im Opener Mirror Ball als Statement einfach über das Ziel hinaus: Was im bezaubernden Kern eine anmutige Klaviernummer im verlassenen Ballsaal hofiert hätte, wird mit zahlreichen Effekten, Ideen aus dem Funk und Club, Neonfarben und Störgeräuschen zum überladenen Custerfuck aufgeblasen.
Am anderen Ende der Platte entscheidet sich das entschleunigte Rockets dagegen für das nahezu ausnahmslos ruhige Understatement im Melodrama und wirft hinter den Zeilen zu guter Letzt auch die Frage auf, ob Weller hier womöglich seine Version eines Elbow-Albums aufnehmen wollte, zeigt aber bis dorthin vor allem, dass er den nuancierten Verlauf aus modernen Akzenten und klassischem Handwerk ohnedies nahezu immer behände beherrscht.
Rund um das ausufernde, wirklich tolle Herzstück der Platte aus More (ein behutsam abgedämpfter Groover mit französischem Duett-Charakter und lauerndem kammermusikalischem Folk-Orchester flaniert entspannt in den Jam) und dem Titelstück (in dem die Vorgänger-Platte mit retrofuturistischem Texturen übersetzt wird, sich entspannt in eine Revue zurücklehnt und mit viel Gefühl und feinen Arrangements in die Space-Lounge schippert) wird On Sunset zu einem Schaulaufen aus feinen Melodien und beherrschten Hooks, die gerade Eingangs doch noch mühelos an Bord holt.
Der beschwingte, Orgel-grundierte Soul-Poprock von Baptiste gibt sich ebenso straight und unkompliziert mit Bläsern ausstaffiert wie das smooth in Erinnerungen an die 70s-Disco schwelgende Old Father Tyme, bevor das verträumt treibende Village sich an seine Streicher schmiegt: allesamt zugänglich Ohrwürmer.
Hinten raus strahlt die Agenda des Albums stärker durch, wenngleich das Songmaterial weniger direkt überzeugt: Die Symbiose aus dem Hang zum Experiment wird jedoch stets solide gestemmt. Das sehr okaye Equanimity stackst flapsig und liebenswert mit besonders vorsichtigem Vortrag in die 60s, das Vaudeville-Flair und die Fidel sind jedoch das prägnante Element, wo im salopp klimpernden Standard Walkin‚ primär die Arrangements mit Saxofon, singender Säge und Trompeten aufzeigen. Earth Beat wird sogar aus dem modulierten Ambient in den elektronisch unterspülten und psychedelisch angehauchten Art Pop geboren, steht ohne tatsächliches Risiko aber so viel Mut, dass die Diskografie von Weller immer spannend bleibt, exemplarisch für das angenehme, aber nie gemütliche On Sunset – indem es einen makellosen, wenngleich hier mit einer latent weniger faszinierenden Nachwirkzeit ausgestatteten Lauf fortsetzt.
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