Paul Weller – 66
Dass er zumindest vorerst keine Zeit für Volume 2 von Fat Pop fand, hat schon seinen Grund: Altmeister Paul Weller ist 66 – und musste diesen Umstand erstmal mit seinem 17. Soloalbum in aller Frische feiern.
Für andere fängt das Leben mit 66 erst an, der Modfather macht im Grunde – mit einer Gästeliste, die diesmal unter anderem etwa Noel Gallagher, Bobby Gillespie (Primal Scream), Suggs (Madness), Richard Hawley, Dr Robert (Blow Monkeys), Christophe Vaillant (Le SuperHomard), Say She She oder Erland Cooper umfasst – weiter wie bisher: auf 66 wandert Weller durch typisches Songmaterial, erst im Potpourri-Charakter (weil Flying Fish mit mehr Synthetik zur schillernden Disko aus dem Rahmen stampft, aber vor allem mit dem feinen Schwenk im finalen Twist überzeugt und Jumble Queen simpel, straight und weich mit Bläsern aus der 60s-Zuneigung „poltert“), dann homogen ausgerichtet, aber immer im Reinen mit sich selbst und niemandem etwas beweisen müssend, wie er den Pop und Rock da mit seinem souligen Feeling so locker und ungezwungen in bequemer Gelassenheit fließen lässt.
Meist von Arrangeurin Hannah Peel mit breitem, aber gerade nicht zu dick auftragendem Instrumentarium ausgeschmückt, ist 66 unspektakulär und souverän im besten Sinne, über die kurzweilige Dauer von 41 Minuten ein konstantes Niveau haltend: alles geht gut ins Ohr, ohne hartnäckig dort hängen bleiben zu wollen, Genieblitze oder wirklich große Hooks und Melodien bleiben aus – zumindest das wirklich schöne, balladesker sinnierende Nothing, das elegant zurückhaltend in der Lounge von Tranquility Base Hotel and Ca(r)sino berieselt, zeigt jedoch mit dem Gefühl eines heimlichen Instant-Lieblings auf.
Im Umkehrschluss gibt es zwar auch keine Ausfälle – schade allerdings, dass einige Songs der Platte es sich zu einfach machen und kurzerhand ausfaden. Und dass Produzent Weller 66 auch etwas zu satt klingen lässt, den Sound ein klein wenig zu gefällig und angenehm inszeniert, anstatt Ecken und Kanten zuzulassen, macht das Album auch nicht unbedingt interessanter oder spannender.
Ship of Fools flaniert Straße des Lebens dennoch locker und leicht mit gefühlvoller, liebenswerter Nonchalance dahin, bimmelt und flötiert gedankenverloren und verklingt ohne Ziel, derweil die immer stärker forcierte orchestrale Ausschmückung der Platte forciert wird. My Best Friend’s Coat schunkelt nostalgisch über einem schwofendem Beat mit Klavier und Streichern in latent kitschiger Revue-Stimmung, ist eine sentimentale Schwarz-Weiß Erinnerung an ein buntes Spektakel – und damit irgendwie ein Sinnbild für ein Album, das während des Hörens nostalgische Zeitlosigkeit erzeugt und zitiert, gleichzeitig über den Moment des Hörens hinaus primär die allgemeine unverkrampfte Stimmung Eindruck hinterlässt. Es gibt schlechtere Deals!
Im Baukasten Rise Up Singing schwelgt Weller sinfonisch und chorunterstützt in Aufbruchstimmung erhebend dezent pompös gen Elbow – was live ohne Orchester schwer reproduzierbar sein dürfte, aber auch so als potentieller aktueller Setlist-Fixstarter vorstellig wird. Im bezaubernden I Woke Up baut sich alles rund um Stimme und Gitarre samt später schweifend begleitender Bandbesetzung auf, bevor A Glimpse of You den etwas galligen Mittelteil der Platte geschmackvoll auf relaxte Nummer Sicher gehend rahmt.
Sleepy Hollow kehrt dort zur gemütlich hopsenden, folkloristischen Nonchalance zurück und In Full Flight plätschert croonend in der leicht halluzinogen Wunderwelt von Reveal, derweil Soul Wandering mit mehr orgelnden Drive und Druck schroffere Konturen im Rock andeutet und die samtweiche Romantik von Burn verschmust schmachtend das Cinemascope erblühen lässt. Langeweile? Zugegeben – ein bisschen, ja. Aber mit Fanbrille deklariert man das eher als Wohlfühlzone. Und freut sich über eine solide Standard-Diskografie-
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