Parquet Courts – Wide Awake!
Selbst als ausgewiesener Gegner von Danger Mouse kommt man nicht umher zuzugeben, dass Brian Burton offenbar genau der richtige Produzent für Wide Awake! ist. Zumindest ringt er Parquet Courts gefühltermaßen genau jenes Album ab, auf das man nach Light Up Gold kaum noch zu hoffen wagte.
Aber gut, Parquet Courts haben sowieso einen dauerhaften Lauf. Wirklich daneben gingen jedenfalls weder Sunbathing Animals oder Human Performance. Selbst die zahlreichen (mitunter kruden) Nebenprojekte hatten ihren Reiz. Milano, die Kooperation mit Danger Mouse-Kumpel Daniele Luppi war dann im Jahr 2017 sogar eines der heimlichen Highlights. Im Gegensatz zu Produktionen wie After the Disco, Songs of Innocence, Turn Blue, The Getaway oder auch Woodstock – allesamt Platten, die (mal mehr, mal weniger) eher auf oberflächliche Ästhetik, denn auf substanzielle Tiefenwirkung bauten.
Insofern ist es durchaus überraschend, dass Brian Burton es nun absolut verstanden hat, neben einigen offensichtlichen Spurenelementen im Sound (etwa, wenn der Richtung The Fall stacksend skandierende Agenten-Postpunk von Violence plötzlich im anachronistisch orgelnden Vintage Flair hinter der Geisterbahn den Psychedelik-Jam auspackt; Before the Water Gets Too High zu einem Retro-Lavalampen-Blues samt Casio-Synth döst, bevor sich alle in schieflache in den Armen liegen und eine Gitarre um die Ecke biegt, die auch Dan Auerbach gefallen wird; oder ganz allgemein der Klang von Back to Earth, das sein altmodisches Grusel-Piano über einen trockenen Trademark-Beat samt Chor legt – allesamt klassisches Danger Mouse-Design) vor allem genau die richtigen Schrauben im Detail bei der Band aus New York City anzudrehen und damit die hauseigene Impulsivität in Form zu bringen.
Wo das seit den dringlichen Anfangstagen immer weiter zurückgehende Maß an mitreißender Punk-Energie bei Parquet Courts in den vergangenen Jahren auf den direkten Vorgängern von Wide Awake! immer wieder zu einer frustrierenden Unausgewogenheit in der smarten Gesamtmasse führte, sobald das Quartett zwischen Highlights und Füllern zu mäandern begann und den Fokus ihres rockigen Amalgams nur zu bereitwillig in abstrusen Spinnereien verlor, hat Danger Mouse die Zügel nun gestrafft und die grundlegenden qualitätskonstante Zuverlässigkeit mit mehr knackiger Kompaktheit übersetzt: Wide Awake! ist runder, als man das von der schrägen Weirdo-Neigung der Band erwarten konnte, spart die frustrierenden Sackgassen in den Kompositionen aus.
Überhaupt diese neue Ausgewogenheit in der Balance: Was im eklektischen Hybridgemisch von Parquet Courts bisher den Hang zum nicht zu Ende gedachten, schludrigen Skizzensammelsurium haben konnte, wirkt er nun weitestgehend ausformuliert und komplett; was trotz der verinnerlichten Slacker-Attitüde der Amerikaner dann und wann zu gewollt hingerotzt erschien, passiert nun endgültig mit lockerer Hand und einer passgenauen Gefälligkeit. Das nonchalante Maß zur (Nach)Lässigkeit steht dank Danger Mouse dem Momentum nicht mehr im Weg, oder einfach: Der streitbare Produzent ruft das Potential von Parquet Courts lückenloser ab, indem er das Verständnis für massentaugliche Aspekte im Spektrum forciert – und mit dieser Öffnung der Band wie auch dem Hörer einen großen Gefallen tut.
Der Football-Rant Total Football täuscht deswegen auch nur die Entspannungsübung an, um danach umso ausgelassener und flapsiger nach vorne zu twisten und den legeren Hüftschwung zu proben – einen ähnlichen Tritt aufs Gaspedal wagt auch Almost Had to Start a Fight / In and Out of Patience später, bis Albert Hammond Jr. die Strokes so richtig vermisst. Freebird II beeindruckt dann besonders mit den generell grandiosen Bassläufen von Sean Yeaton, findet aber auch eine 60s-Symbiose aus Beatles und Stones, bei der sich letztendlich alle glückselig miteinstimmend im Pub in den Armen liegen – und damit schafft, was Titus Andronicus unlängst auf A Productive Cough noch misslungen ist.
Mardi Gras Beats borgt ziemlich frech Range Life von Pavement als Klammer, legt darin aber eine bunte Nostalgieschau im Spannungsfeld aus Grandaddy und Beatmusik aus, das nervöse Normalization schaut gar bei Beck und seinen Sexx Laws vorbei, während die Bandbreite aus dem Doppel NYC Observation und Extinction (zwei zackige Trademark-Punkrocker in insgesamt unter 3 Minuten) sowie dem Titelsong (ein Mutant-Disco-Stück samt flippigen Cowbells und viel Funk), dem versöhnlichen Tenderness und dem samt Kinderchor schunkelnden Death Will Bring Change eindrucksvoll vorführt, dass Paquet Courts dank der Pop-Politur von Danger Mouse die Spannweite von The Clash hin zu den Minutemen, The Wire oder den Talking Heads treffsicherer denn je landen.
Ob nun über Lovesongs oder mehr noch den lyrisch stets präsenten sozialpolitische Diskurs: Die Variabilität destilliert sich über ein Songwriting, das nicht mehr mit zu kurzer oder langer Aufmerksamkeitspanne leicht ablenkbar wirkend hantiert, sondern seine Vielseitigkeit mit ungebremsten Spaß an der Sache zelebriert und vielleicht sogar im bisher abwechslungsreichsten Album von Parquet Courts mündet, sicher aber im zugänglichsten und paradoxerweise auch schlüssigsten.
Andrew Savage: „I personally liked the fact that I was writing a record that indebted to punk and funk, and Brian’s a pop producer who’s made some very polished records. I liked that it didn’t make sense„. Nein, Sinn ergibt das alles vielleicht keinen – aber es funktioniert umso kongenialer!
[amazon_link id=“B079VTLZ45″ target=“_blank“ ]Vinyl LP auf Amazon[/amazon_link] | [amazon_link id=“B079VQ4TC9″ target=“_blank“ ]CD auf Amazon[/amazon_link] | [amazon_link id=“B079JNKTTR“ target=“_blank“ ]MP3 Download auf Amazon[/amazon_link] |
1 Trackback