Panopticon – .​.​.​And Again Into The Light

by on 25. Mai 2021 in Album, Heavy Rotation

Panopticon – .​.​.​And Again Into The Light

…and Again Into the Light ist das Panopticon-Album, auf das man insgeheim seit Autumn Eternal gewartet hat, dass so wohl aber erst durch die ambivalente Schlagseite von The Scars of Man on the Once Nameless Wilderness möglich geworden ist.

Auch die jüngsten Split-Veröffentlichungen  mit Nechochweb und mehr noch Aerial Ruin haben Spuren hinterlassen, wie alleine der Blick auf das exemplarische Highlight The Embers at Dawn verdeutlicht: Nach dem im Pedal und Lap Steel-Wehmut summierenden Folk-Interlude As Golden Laughter Echoes als kürzestem Stück der Platte ist The Embers at Dawn erst ein friedlicher, in bittersüßer Anmut schunkelnder Americana-Nostalgiker, von Erik Moggridge fragil und sanft an der Hand genommen, zutiefst melancholisch und bekümmert in der eigenen Traurigkeit sinnierend. Der folgende Ausbruch in den Black Metal in all seiner versöhnlich-tröstenden Grandezza ist zwar zu vorhersehbar – weil Alchemist Austin Lunn einfach zu oft dazu neigt, lange vorbereitete Spannungsbögen mit zu abrupt einherfallenden Blastbeat-Parts relativ banal aufzulösen – wie absolut triumphal sich dieser mit Waldgeflüster-Mann Jan Van Berlekom ins heroische steigert, ist jedoch ein bisschen überwältigend.
Kompromisslos im Streben überlebensgroße Szenarien zu entwerfen, diese mittlerweile auch prachtvoll anzunehmen und auszuleben, zerreißt es den Post Black Metal von Panopticon beinahe vor leidenschaftlicher Intensität, die getrieben von manischer, aber keineswegs hässlicher Raserei eine sich selbst kasteiende Schönheit und Grandezza erhebend immer dringlicher und verzweifelter beschwört.

Der Entwicklungsprozess für Panopticon in den vergangenen Jahren ist dabei jedoch genau genommen ein regelrecht unscheinbarer: Lunn bedient auf …and Again Into the Light genau genommen nur ein weiteres Mal die Trademarks seines Projektes, lässt keine radikalen Umbrüche oder Zäsuren erkennen, sondern arbeitet viel eher an den Details, dem Fokus, der Balance und den Feinabstimmungen seiner typischen Formel. Die Ambivalenz aus Appalachian Folk und Lagerfeuer-Bluegrass auf der einen Seite, und Black Metal auf der anderen, findet nach dem zuletzt forcierten Trennungsverfahren einfach wieder zusammen, dies aber harmonischer und reibungsloser denn je – als hätte Lunn erkannt, wo seine Stärken und Schwächen liegen, wie Spannungen auch konfrontationslos entstehen.
Nicht erst wenn The Embers at Dawn über einen esoterischen Ambient-Ausklang in den Äther verschwindet, ist die symbiotisch Balance in den Schwerpunkten also verschoben, trägt …and Again Into the Light seinen Titel und das Artwork nicht umsonst, sondern steigt immer wieder mit epischer Geste und hymnisch strahlender Selbstsicherheit empor. Die Gravitation liegt auf dem (zugänglicher und voller inszenieren, merklich satter produzierten) Metal, die countryesken Passagen müssen nicht ebenbürtiges Gegengewicht sein (woran ja gerade The Scars of Man on the Once Nameless Wilderness scheiterte), sondern setzen im Amalgam ausgewogene Akzente, symbiotisch eingebettet in einem runderen Fluss. Gimmick war die Dualität ohnedies nie – reichhaltiger zelebriert und natürlicher als hier eingeflochten war sie im (mit Ausnahmen des auffällig laut und präsent nach vorne gemischten Schlagzeugs stets atmosphärisch arbeitenden) Sound einer mittlerweile zugänglich und griffig wie nie klingenden Band aber auch nicht. Diese Konsequenz in der Selbstfindung bietet Lunn den Raum, um sein Songwriting wie ein Schaulaufen anzulegen, das aus dem dichten Winter-Wald und der Finsternis kommend den Blick auf einen hell erleuchteten Himmel akzeptiert.

Der Titelsong eröffnet als sehnsüchtige, melodramatische Folklore mit Klargesang, Acoustic-Gitarre und weitschweifenden Fidel-Arrangements, Dead Loons übernimmt dort direkt direkt als melancholisch plätschernde Elegie, als Postrock ohne Rock, komplett entschleunigt und in der Introspektion sinnierend, auf imaginative Weise wunderbar bildreich. Der daraus entstehende Funeral Doom gebärdet sich zeitlos, auch wenn die hinzukommenden Streicher erst noch zu dick auftragen. Was  hier aber verschmerzbar ist, wenn der Song (als erster derart gestrickter) in den Blastbeat-Metal ausbricht, die Arrangements zu einer monolithischen Majestät mitreist, massiv und kraftvoll, während Lunn bullig und harsch brüllt. In Rope Burn Exit führt dies in der Gesangsästhetik beinahe so zu einem bellenden Hardcore-Feeling, neben einer klassischen Melodieführung, einer erhebenden Tragekraft, subversiv trotz brutal klarer Linie. A Snowless Winter taucht mit Tremolo-Gitarren kurz in den Postrock ab und nahe am Melodeath-Tackern wieder auf, inklusive Texturen, die ebenso sakral wie naturalistisch gewachsen sind, das finale Solo auch gerne ewig dauern hätten lassen können, und den  richtig garstig-dämonisch speienden Death-Doom Morast von Moth Eaten Soul in seiner okkult-mystisch-modrig-rasenden Stimmung noch zwingender beschworen wirken lassen. Im abschließenden Know Hope, einem Leviathan, der gerade in seinen ruhigen, introspektiven Momenten voller Wärme besticht, gallopiert das so kohärente .​.​.​And Again Into The Light deswegen auch scheinbar mühelos in die nächste Liga: Sollten Panopticon bisher noch eine Nischensensation für Eingeweihte gewesen sein (was nach bald eineinhalb Jahrzehnten Karriere mit einer ausfallfreien Diskografie im Rücken so freilich ohnedies nicht der Fall ist), ist die Ein-Mann-Band spätestens jetzt ein Referenzwert für ein potentiell breites Publikum.

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