Pallbearer – Sorrow and Extinction
von Oliver am 14. März 2012 in Album, Heavy Rotation
Ein Quartett aus Little Rock spielt auf ihrem Debütalbum unfassbaren Doom, der seine Stärke gleichermaßen aus Traditionsbewusstsein und Progressivdrang zieht und sich aus dem Nichts kommend als Genrekönig empfiehlt: ‚Sorrow and Extinction‚ verlangt nach Superlativen.
Pallbearer musste man nicht zwangsläufig auf der Rechnung haben. Trotz der 2010 unentgeltlich unters Metalvolk geschmissenen, vielversprechenden erste Demo EP. Wer die zahlreichen bisherigen Wirkunsstätten – u.a. SPORTS, Deadbird, Placid Eclipse, Rwake – der vier Metalheads verfolgt hat, wird sich natürlich schon die Hände gerieben haben, seit das Gespann ohne viel Aufsehen seit der Bandgründung 2008 vor sich herkochen konnte. Und nun – platzen Pallbearer mit einer umso mächtigeren Urgewalt mehr oder weniger aus dem Nichts auf die Bildfläche, wagen den großen Spagat zwischen altem und neuen Doom und walzen einem unaufhaltsamen Lavastrom gleich über 40 Jahre Genre Geschichte hinweg, nehmen mit was sie brauchen und speien einen überlebensgroßen Metal-Malstrom aus.
Brett Campbell, Devin Holt, Joseph D. Rowland und Chuck Schaaf platzieren ihr Ungetüm unweit der so fabelhaften aktuellen Patrick Walker Band 40 Watt Sun, nicht nur auf Grund des immer claenen, immer erhabenen Gesangs wegen. ‚Sorrow and Extinction‚ wohnt eine ähnlich weltverschlingende Melancholie inne, ist (er)drückend und dicht gestrickt. Doch wo 40 Watt Sun immer wieder in die Depression abgleiten, erheben sich Pallbearer in Zuversicht, praktizieren geradezu hoffnungsschwangeren Doom, der sich abseits von Walkers angrundtief schürfenden Seeleninenlebenreflektion an Metalgerechten Geschichten und Metaphern labt, die Sargträger aus Arkansas viel eher als exhumierende Impulsgeber alter Werte überführt. Deswegen sind Referenzen wie Walker, Electric Wizard und Konsorten nur die eine, modern geprägte Seite der Medaille – die andere hat den Aufdruck klassischer Metalband, beschreibt ehemalige Helden wie Metallica (ca. ‚Master of Puppets‚ – in Zeitlupe) und alte Götter wie Black Sabbath (ca. ‚Black Sabbath‚ – mit mehr Stadiongesten). Dass Campbell dabei nicht selten klingt wie der junge Ozzy, – in fitter, passt nur ins Konzept.
Ebenso ein wichtiger Puzzleteil: Dan Lowndes und Schaaf haben produktionstechnisch ganze Arbeit geleistet: Die versammelten Songs kommen mit einer unfassbaren Wucht daher, wachsen permanent, sind sauber ausgeleuchtet druckvoll und in spartanischer Weise geradezu bombastisch, niemals jedoch überladen. Die heulende Leadgitarre leuchtet aus dem düsteren Sound hervor, der Rhythmus ist mehr als nur ein Gerüst, er malmt sich unnachgiebig mitten in den Bauch. ‚Sorrow and Extinction‚ wird getrieben von einer unheilschwangeren Dynamik, teleportiert Bassriffs aus dem Erdmittelpunkt in traditionelle Songmuster, verdichtet die Atmosphäre ohne Spielereien. Pallbearer klingen roh und ausgefeilt zugleich, direkt, bedrohlich und doch wunderschön. Monumental.
Dank jüngster Glanztaten wie eben das auf Folk- und Songwriterspuren wandelnde ‚The Inside Room‚, der Esoteric Machtdemonstration und Yob’s räudigem Ausflug in dem Post Metal, steht der altehrwürdige Doom in den letzten Jahren sicher auf den Beinen – und muss ‚Sorrow and Extinction‚ wegen doch erzittern – die Wucht des Gesamtkunstwerks (was Pallbearers Debüt spätestens mit dem erscheinen der Vinylausgabe auf 20 Buck Spin sein wird) erschüttert, vibriert anhand der vielen genialischen Kleinteile.
Weil die Band sich nicht nur soundästhethisch entwickelt hat, sondern in erster Linie als Songwriter: da sind diese fünf tonnenschweren Songmonolithen, so konsequent alle Vorzüge des Genres bedienend, so gefinkelt jede Plattitüde umschiffen. An erster und oberster Stelle hofiert ‚Sorrow and Extinction‚ das überragend in ‚Foreigner‚, dem Opener, der sich über zwei Minuten Zeit für ein berauschend-stimmungsvolles Intro aus majestätischen Nylongezupfe und scheppernden Stahlsaiten nimmt, einen der vielen Ruhepole der Platte vorneweg platziert und mit majestätischen Melodieführungen nichts anderes ist als episch. Alleine für Momente wie die abschließenden vier Minuten würden andere Bands töten. Pallbearer lassen nahezu ebenbürtige folgen:
Die bienenschwarmartige Taping Überfall auf das Ende von ‚An Offering Of Grief‚, der heimlichen Hymne der Platte; der magische Hall auf ‚Devoid Of Redemption‚, wo brandheiße Stoner Riffs vor eiskalter Monothonie brüten; die allein auf weiter Flur spulende Gitarrenfigur in ‚The Legend‚, von Bass überrollt und psychedelisch ausladend zurück kehrend; die Hymnik in jeder einzelnen Melodieführung, den immer weit anlauf nehmenden Spannungsbögen.
Spätestens wenn sich die harten Riffs von ‚This Alone‚ langsam in ein Meer aus Chören beeten, Pallbearer in die Unendlichkeit stieren, ist es Gewissheit: ‚Sorrow and Extinction ‚ ist in mehr als handelsüblicher Doom, es ist ein meisterhafter Einstand und Prüfstein für zukünftige Pallbearer-Veröffentlichungen wie Genrekollegen gleichermaßen. Es ist eine Erfahrung aus dem Herzen des Metal heraus.
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