Pallbearer – Mind Burns Alive

by on 19. Mai 2024 in Album

Pallbearer – Mind Burns Alive

Pallbearer lassen den Metal als ihre erste Liebe mit Mind Burns Alive nicht hinter sich, bauen ihre Zuneigung  für den Slowcore und Progressive Rock aber endgültig zu mehr als nur einem flüchtigen Flirt aus.

Damit schließen die vier Amerikaner das Kapitel des unausgegorenen Nummer-Sicher-Vorgängers Forgotten Days (und glücklicherweise auch dessen unglücklicher Produktion/ Mix-Entscheidungen) ab und öffnen mit schlüsssigem Zug in ihrer stilistischen Evolution gewissermaßen ein neues – mutmaßlich polarisierendes.
Denn die Heaviness ist in der Gewichtung spätestens jetzt nicht mehr das einzige Gewicht in den Pallbearer’schen Facetten des Doom. 40 Watt Sun oder mehr noch Warning sind im Koordinatensystem von Brett Campbell Devin Holt, Joseph D. Rowland und Mark Lierly ins Zentrum der Wahrnehmung gerückt (ohne jedoch die Finger derart schmerzhaft in emotionale Wunden zu legen, wie Patrick Walker es tut): „Rage and despair hangs in the air/ Once burgeoning, now gone fallow“.

Vor allem im Opener Where the Light Fades stehen der Band diese Assoziationen neben Crippled Black Phoenix, Elder, Pink Floyd oder Arbouretum jedenfalls deutlich näher als etwa Mournful Congregation. Sanft und vorsichtig breiten Pallbearer ihre sehnsüchtige Melancholie mit zartem Gesang, bedächtigen Synths und cleanen Gitarren kontemplativ und fern jeder Härte aus, weich und schön, eine elegische Tragik längst gefunden habend: „We are frozen here/ Picking at wounds we will not let heal“.
In dieser Introspektive machen es sich Pallbearer in weiterer Folge aber nicht bequem, sie ist auch keine Sackgasse, sonder dient vielmehr als Basis von Mind Burns Alive, auf der das Quartett die vergleichsweise simpel gewordenen Strukturen seines Songwritings ausgewogen anlegt, die Amplituden allerdings nicht mehr in derart verzweifelt niederschmetternde Höhen wie auf den beiden Geniestreichen Sorrow and Extinction (2012) und Foundations of Burden (2014) treibend.

Im Rahmen des angestammten, episch ausholend Traditional Doom drosseln sich Pallbearer im Kern des Titelstücks etwa verträumt wispernd. Signals nimmt sich erst traurig zurück und erblüht dann in schwelgender Sehnsucht, bevor das hart brutzelnde Endless Place zu einer luziden Saxofon-Trance marschiert, die imaginativ und psychedelisch hinfort trägt. So hat man die Band bisher noch nicht gehört. Und noch nie war der Raum zwischen den Tönen, die Stille, als elementarer im Kosmos der Band als im Intro von Daybreak, das danach gefühlt so viel mehr Weite als sieben Minuten Spielzeit vermisst und eher zu abrupt beendet ist, als dass die Geduld Längen erzeugt, damit With Disease einem fast wüsten Klimax mit alten Gewohnheiten entgegen arbeitet.

Pallbearer haben also nicht ihre Wut oder gar Identität verloren, aber darunter (trotz emotional aufgewühlter, verletzlicher Texte, die mit Zeilen wie „You tell me you wanna run/ Wanna free yourself from pain/ But the demons haunting you/ Hold you in this place.“ malträtiert um sich selbst kreisen und den Plattentitel erklären) musikalisch eine innere Ruhe gefunden, die niemandem etwas beweisen muss; die manchmal zwar auch noch etwas unsicher auf den Beinen in neuer Ausrichtung wirkt, jedoch eine gut verdauliche Bandbreite für eine gewachsene Auftrittsfläche anbietet.
Überwältigende Riffs treten dabei hinter die Atmosphäre und eklektische Ästhetik, die Gesangslinien nehmen versöhnlich an der Hand zur bittersüßen Melancholie. Die Phasen der Heaviness wirken dann zwar nicht wie Kompromisse, aber jene der Einkehr so bestimmt und konsequent, dass man in ihnen die Ziele der weiteren Entwicklung einer Gruppe zwischen den Stühlen erahnen kann. Und der Weg dorthin ist – mit komplexen Texturen und detailliertem Schlagzeugspiel asphaltiert, warm und einladend die Pallbearer‘sche Theatralik subversiver reflektierend – eine erfüllende Momentaufnahme eines in Bewegung gesetzten Koloss‘ von einer Band, deren Interessen sich tatsächlich bald vom Metal verabschieden könnten. Eine Aussicht, der man angesichts der langsam im Rückspiegel bleibenden eigentlichen Stärken des Vierers erstaunlich interessiert entgegenblickt.

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