Pallbearer – Foundations of Burden

von am 29. August 2014 in Album, Heavy Rotation

Pallbearer – Foundations of Burden

Bereits jetzt lässt sich sagen: 2014 wird als gelungenes Jahr in die Annalen des Doom eingehen. Dafür sorgen alleine The Wounded Kings, Conan oder die ohnedies unfehlbaren YOB. Dass die Genrekrone Little Rock, Arkansas allerdings überhaupt erst verlassen wird bleibt zu bezweifeln. Denn die vermeintliche Bürde ihres überragenden Debüt-Geniestreichs schultern Pallbearer kurzerhand mit einem beinahe ebenbürdigen Nachfoger.

Ein modernes, klassisch ausgerichtetes Meisterwerk des Doom, wie es das 2012 regelrecht aus dem Nichts auftauchende und nachhaltig einschlagendeSorrow and Extinction‚ ist, lässt sich nur schwer toppen; Songs wie das unsterbliche ‚Foreigner‚ schreibt man dazu nur einmal im Leben. Das wissen auch Pallbearer selbst und nähern sich dem schwierigen zweiten Album auf die vielleicht klügste Art und Weise: man versucht gar nicht erst mit Gewalt noch epischere Augenblicke zu kreieren, sondern lässt die Dinge fließen und betreibt auf ‚Foundations of Burden‚ in erster Linie Feintuning an allen Ecken und Enden. Das Zweitwerk des Quartets hat nicht derart markante Ausnahmemomente und Ausreißer ins Epochale wie ‚Sorrow and Extinction‚, verdichtet sich aber als Gesamtwerk durchaus noch kohärenter, homogener und runder.
In erster Linie liegt das natürlich am brillant maßgeschneiderten Sound den Billy Andersen der Band angegossen hat: mit dem Mann im Hintergrund, der bereits für Teeth of Lions Rule the Divine, Swans, Sleep, OM, Neurosis, Mr. Bungle oder die Red House Painters die Knöpfe betätigt hat, klingen Pallbearer gleichzeitig druckvoller und weicher, mächtiger und verletzlicher; dickflüssiger und sportlich, vor allem aber: weitreichender. Alleine wieviel mehr Raum die Leaditarre von Devin Holt in Relation zum vergleichsweise regelrecht karg inszenierten Vorgänger nun zur Verfügung hat um sich entfalten zu können und sich auf sehnsüchtige Streifzüge zu begeben, zieht das Spektrum der Band auf ein neues Level.

Gleich das eröffnende Opus ‚Worlds Apart‚ mutiert so zu einem Wechselbad der Gefühle: Pallbearer gönnen sich diesmal keine lange Einleitung in ihre Platte, sondern platzen mit einem sich permanent selbst zu überflügeln versuchenden Riff direkt in medias res los, walzen eine hymnischen Metalausritt los, der in seinem wohldosierten Expansionsgedanken bis hin zu dezenten Choransätzen wandert und sich selbst in eine mediative Nachdenklichkeit spielt. Pallbearer interpretieren ihren traditionsbewussten Doom wendiger, somnambul(enter): Härte meint hier immer auch Schönheit, das Massive ist auf drückende Art geschmeidig, feingliedrig und recih texturiert.
Vor allem aber gelingt es Pallbearer abermals emotionaler, kathartischen zu klingen als ein Gros der Genrekollegen, was nicht zuletzt an der bestechenden Leistung von Brett Campbell liegt: seinen am Metal geschulten Klargesang windet er behänder denn je mit einer leidenden Verzweiflung durch den Wellengang der Kompositionen und dirigiert dennoch nicht nur das von der Gitarrenfraktion fulminant angetriebene Lavabrett ‚Foundations‚ doch gleich selbst zum Hoffnungsschimmer am Horizont. Wie alleine dieser Gestaltenwandler von einem Song (beginnt als Tritt auf Gaspedal, mutiert danach zu einem Slo-Mo-Walk den andere Bands wohl als Ballade ausgelegt hätten) in seinen Ausläufern die Pforten öffnet, beherzt durchatmet und letztendlich mit geschlossenen Augen ins Nirwana abdriftet – das bekommt so ergreifend wohl selbst 40 Watt Sun-Vorstand Patrick Walker derzeit zu stande.

Das nahtlos aneinandergeschmiegte Doppel aus ‚Watcher in the Dark‚ (beginnt dort, wo andere Genresongs sich zurückzuziehen gedenken, richtet sich danach aber über drei Minuten besonnen auf und franst über ein schwerelosen Gitarrenpart immer weiter aus)  und dem elegisch-badass brummenden ‚The Ghost I Used to Be‚ (zieht die Zügel mal bis hin zu aufbrausenden Hardcore-Shouts über straighten Rock-Abfahrten immer enger, ist darüber hinaus aber vor allem eine Wanderung durch psychedelische Gefilde) verschwimmen vor dem inneren Auge zu einem 21 minütigen Rausch, der als Malstrom enorm freigeistig um konkrete Motive treibt: das kann durchaus als streunende Gedankenverlorenheit erscheinen. Dabei folgend Pallbearer ihren Spannungsbögen diesmal bewusst mit weniger Nachdruck, bisweilen gar mit der eleganten Gezeitenströmung des Postrock, dem horizontlosen Ausblick des Prog vor Augen, geradezu intuitiv und mit einer zeitlosen inneren Ruhe, die es etwa dem monströs riffenden ‚Vanished‚ auch erlaubt, sich über einen Großteil seiner knapp 12 Minuten Spielzeit selbst beruhigen zu wollen und letzten Endes friedlich zu verglühen. Pallbearer sind vordergründig an Melodien interessiert, lassen sich in dieseaber ohne Blick auf das Momentum fallen.

Denn noch einmal: ‚Foundations of Burden‚ ist weniger eine Sammlung herausragender Einzelsongs ala ‚Sorrow and Extinction‚, sondern vielmehr eine wohlorchestrierte, zusammenhängende Reise mit transzententaler Strahlkraft: oftmals hinterrücks übermannend, vor allem in den nur langsam zusammenwachsenden (zuerst eventuell gar weniger zwingend erscheinenden, sich letztendlich aber nur zurückhaltend entfaltenden) Momenten, die die Magengrube bisweilen auf unterbewusst-nachhaltige Weise erschütternd. Vielleicht wird die Trumpfkarte dieser Harengehensweiseniemals offensichtlicher als in ‚Ashes‚, einem kurzen Zwischenspiel, erbaut mit Rhodes-Piano und Violinen, das Pallbearer mit einer verträumten Dreampopmelodie ein Wiegelied für die Hohheitsgebiete von Earth spielen lässt und der Band am deutlichsten neue Wege aufzeigt. Gerade hier wird auch deutlich, dass Pallbearer spätestens jetzt endgültig zu einer jener schubladensprengenden Bands geworden sind, denen es gelingen sollte auch Genre-fremde Hörer anzusprechen, die ansonsten wenig mit Doom-Gefilden zu tun haben: mit dem zweiten melancholischen Doom-Meisterwerk in Folge, der wiederholten Selbstkrönung. Da kann das Doom-Jahr 2014 auch noch so gut sein. Pallbearer sind besser.

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