Outlander – Acts of Harm
Am Postrock und Slowcore kultivierter Shoegaze kennt keine Eile: Mit Acts of Harm hat das vor über einer Dekade gegründete Birmingham-Quartett Outlander fünf Jahren nach dem Debüt Valium Machine sein zweites Studioalbum fertigtgestellt.
Kein Grund, die Dinge nun deswegen zu überstürzen. Bound nimmt sich lange Zeit, um zurückhaltend und mit leisem Gesang in der melancholischen Einsamkeit zu sinnieren, wo man an Duster oder Codeine und die 90er ganz allgemein erinnert wird, bevor die Band ihren Sound dort aufzieht, wo Grivo in das Hoheitsgebiet von Mogwai und Nothing hineinwachsen könnten – kontemplativ und ohne richtigen Ausbruch, weil es die Komposition nicht zu plakativen Lösungen zieht. Das hat Geduld und zeigt eine Haltung, die niemandem etwas beweisen muss. Fühlt man sich als Hörer im Genre-Koordinatensystem der Band wohl, ist der Zugang dafür umso einfacher: Acts of Harm hat einfach eine weite, wie selbstverständlich dargebotene Auftrittsfläche.
Das überraschend abrupte Ende des Openers sticht deswegen jedoch auch umso drastischer und störender aus einer homogenen Platte, die ansonsten unbedingt die runden, geduldige Spannungsbögen pflegt.
Das getragene Want No More (das sich im satten, vollen Klang dort in offenen Landschaft bewegt, wo andere Shoegaze-Bands höchstens ihres Bridges für kurze Ausflüge von der Leine lassen) bekommt mit II: Nuclear etwa extra einen tiefenwirksam nachhallenden Ausklang, in dem die langsamen Gitarren und Beckenschläge wie warme, nostalgische Streicheleinheiten für vergessene Erinnerungen umspülen.
Orbit wandert mit einem majestätischen Gefühl, mahlt als instrumentales Zwischenspiel träumend, bevor New Motive Power das Tempo einer fesselnden Gleichförmigkeit drosselt. Der Gesang im Reverb ist verwaschener als der markante Bass, und Outlander vertrauen selbst im somnambulen Gang primär auf die atmosphärische Sogkraft ihres Spiels, meditieren eher über einer Idee, als dass sie inszenatorische Akzente setzen. Wie sich der Song zur Mitte hin ausatmend aufbäumt, und statt der Klimax komplett in die Einkehr umzuschalten, still und zurückhaltend einen Minimalismus im Doomgaze zu artikulieren, das passt zur gleichermaßen subversiven, wie den generischen Eklektizismus als Tugend auslegenden Attitüde.
Der Einstieg von Lye Waste assoziiert A Whisper in the Noise und DIIV im Emo, bevor der Postrock als zeitloses Amalgam im Wellengang aus elegischer Nachdenklichkeit und aufbrechender Größe monumentaler wird. Man hat zwar nicht den Eindruck, dass das ganze Narrativ des Albums auf diesen Monolithen hin zugearbeitet hätte, derweil Acts of Harm sich im Schaulauf befindet. Der längste Track der Platte schöpft den MO der Band allerdings am ergiebigsten ab, thront also in gewisser Weise auf einer Platte, der die einzelnen Höhepunkte im Songwriting fehlen, die aber als Ganzes blüht, und so doch zu mehr als der Summe ihrer Teile wird.
Auch, indem Outlander insofern zu packen wissen, dass ihre Musik wie eine Melange aus Elementen wirkt, die man schon seit Jahrzehnten von anderswo kennen und lieben gelernt haben kann. Lye Waste könnte deswegen nach knapp 12 Minuten auch gerne noch lange weitergehen, gönnt sich mit II: Habituation aber zumindest einen Appendix, in dem das Schlagzeug im Hall und die Gitarren in Klarheit einen sanft tröstenden Optimismus zeigen. Objektiv mag das alles dann nicht sonderlich originell sein; subjektiv setzt das Zweitwerk seine Hebel aber effektiver an musikalischen Lieblingsstellen an, als viele Alben aus der stilistischen Nachbarschaft es in den vergangenen Monaten geschafft haben.
Kommentieren