Ostraca – Enemy
Eine wütende, kompakte Platte zwischen den Extremen: Ostraca zerreißen sich auch auf ihren dritten Studioalbum Enemy zwischen Himmel und Hölle einer intensiv kanalisierten Screamo-Leidenschaft.
Und das unerwartet schnell: Gerade einmal 13 Monate sind schließlich erst seit dem formidable Vorgänger Last vergangen, der das Ostraca’sche Wechselspiel aus energisch fauchendem Screamo und elegischen Postrock-Parts in nachdenklicher Schönheit festigte. Auch wenn Enemy diesen Weg nun konsequent fortsetzt, die Nuancen und Übergänge zwischen den Amplituden sogar noch eine Spur homogener und etwas runder als bisher ausbalanciert, wird nach nur 26 Minuten allerdings trotzdem auch das Gefühl zurückbleiben, dass Ostraca die Dinge so unmittelbar nach ihrem den Status Quo bestimmenden Zweitwerk diesmal ein wenig überstürzt haben, den Evolutionsprozess nicht restlos haben zu Ende reifen lassen.
Immerhin gibt es auf Enemy gefühlt nur zwei Stufen, zwischen denen Ostraca pendeln. Entweder spielt sich die Band hirnwütig in spuckende Rage, oder sie lässt sich in kontemplativer Ruhe elegisch treiben – und agiert dabei mit einer gewissen Vorhersehbarkeit im bipolaren Wesen, das den Raum zwischen den Extremen nur als Mittel zum Zweck nutzt, ohne dessen Räume variabel zu erforschen. Der zum Death growlenden letzten Sekunden des düsteren Pulses werden etwa nicht weiter verfolgt, auch nicht im seinen Abgang lange hinauszögernden Nemesis, während In Passing zu unverbindlich einlullt.
So weiß man in der nichtsdestotrotz tollen Dynamik aus dem Laut/Leise-Kontrast eben stets: Nimmt die Intensität der Songs zu, beginnt sicherlich auch alsbald der wenig vielseitige Gus Caldwell hysterisch am herausgepressten Stakkato zu schreien – entfernt er sich vom Mikro, wird die Sache dagegen wieder versöhnlicher perlend, imaginativer, weitschweifender und melodiöser.
Im Grunde hätte Enemy deswegen idealerweise eine brillante EP sein können, da nach drei Songs praktisch alles Elementare gesagt ist. Big Star poltert im Midtempo des Post Hardcore los, brutzelt roh und direkt, nimmt schnell Spannungen auf und schreit sich zu dramatischen Gitarren und eruptiven Rhythmen mit Herzblut die Verzweiflung von der geschundenen Seele, bevor das nur 51 sekündige Graven beinahe wie frühe Funeral for a Friend im Grind-Modus anmutet. Über allem steht jedoch das erst so ätherisch schwelgende Crisis, das seine ekstatische Entladung geduldig in den Fußstapfen von Explosions in the Sky provoziert, nur um umso heftiger auszubrechen, hemmungslos zu detonieren – und sich über einen traumhaften Piano-Ausklang anmutig die Gedanken schweifen zu lassen, der ansatzlos in Deafheavens You Without End übergehen könnte.
Im Gegensatz zu den Expansionen der hippen Blackgaze-Verweigerern fehlt Enemy auf Sicht jedoch die Ausgewogenheit und Abwechslung, überraschendere Elemente und Texturen. Einen Gutteil dieser Mankos gleicht alleine die direkte Authentizität von Ostraca allerdings weitestgehend aus – den Rest erledigt ein unbedingtes Gefühl für dringliche Emotionen und der Eleganz umspülender Posttock-Welten. Das Songwriting von Ostraca packt mitreißend und lässt in seiner Erhabenheit versinken, kaschiert mit Zuckerbrot und Peitsche seine Zweidimensionalität und entlässt letztendlich entsprechend zwiegespalten: So berauschend und unerfüllend kann Katharsis gleichzeitig sein, so flüchtig Erschöpfung.
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