Ostraca – Disaster

by on 4. September 2023 in Album

Ostraca – Disaster

Da hat sich seit Enemy im Jahr 2018 ganz schön was angestaut bei Ostraca: Disaster sprengt die Grenzen des Screamo und Emoviolence, als wäre es die natürlichste Sache der Welt.

Als gälte es, nach fünf Jahren keine Zeit zu verschwenden, injiziert Constellation dem angestammten Genre-Maßstab der Band aus Richmond gleich mal die massive Riff-Wucht des Post Metal, wiewohl Ostraca zu den Blastbeats des grundlegend exquisiten Schlagzeugspiels den Melodielinien der Gitarren eine verzweifelte, melodramatische Schönheit angedeihen lassen, Noise und Crust mit einer Blackened Ästhetik und Death-Schraffuren growlend in den zähflüssigen Hintergrund drangsalieren.
Das existentialistische Heaven Is Still hyperventiliert dort in der tollen, weil allen Elemente eine energische, dringliche und differenziert wahrnehmbare Physis behalten lassenden Produktion, dreht zur  Mitte hin in disharmonisch gestimmter Nachdenklichkeit sinnierend als Ruhepol des Postrock ab, häuft einen Klimax an, der sich der konventionellen Entladung entzieht, in dem der grandios im er enger gedrehte Spannungsaufbau ohne Detonation bleibt. Stage Whisper flaniert danach klarer, fast schon auf einer psychedelischen Prärie, gar nicht so weit von Godspeed You! Black Emperor entfernt – bis Ostraca in den rasenden Blackgaze ausbrechen, kontemplativ abtauchen, und mit knarzendem Bass und Isis’esken Sinnieren im knüppeldicken Metalcore-Ansatz und gutturalem Deathdoom aufplatzen.

Wie enorm organisch und natürlich dies im homogenen, niemals willkürlich mutierenden Fluß passiert, verhält sich dann proportional zu der Tatsache, dass eigentlich gar nicht diese mühelos assimilierende Vielseitigkeit die Stärke der Platte ist, sondern die emotionale Intensität, die durch diese Bandbreite ein enormes Spektrum bekommt.
Das ambiente Whilom brüllt in schroffer, majestätischer Post-Kulisse so imposant und dreckig hinter die traditionellen Zonen des Black Metal, erzeugt durch diese Spannweite etwas schonungsloses, episch kasteiendes in der harschen, fast melodramatischen Schönheit – jedoch mit zu abruptem Ende. Umso direkter und überschwänglicher kann der schwarze Grind von Rebuke sein Kerosin dafür in das Skramz-Revival pusten, vom minimalistischen Pendeln der Introspektive zum Wirbelsturm eskalieren, malerisches schunkelnd mit scharfen Kanten und psychotischer Agonie bis in den Keller-Chain Gang schlurfen, bevor das melancholisch und Slint‘esk beginnende Song for a Frieze wie manischer krähenshwarm prügelnd einen etwas unrunden Abschluss bietet.
Dennoch ist Disaster ein weitestgehend schlüssiges Gesamtwerk, das aus all seinen Wendungen und Variablen (jedoch weniger expliziten einzelnen Genieblitzen im Songwriting) eine enorme Dynamik kreiert und diese mit einer latent nihilistischen Atmosphäre verschnürt: in gewisser Weise ist Disaster so etwas wie das böse Spiegelbild zu Last, ziemlich sicher aber in einem imposanten Screamo-Jahrgang noch vor Last das bisher beste Album von Ostraca.

Print article

Leave a Reply

Please complete required fields