Orville Peck – Bronco
Orville Peck hat zwei Jahre nach Show Pony für sein Major-Debüt Bronco das fetter gewordene Budget genutzt, um die Pop-feiernde Blockbuster-Version seiner in alle Richtungen offenen Country-Hybriden zu kreieren.
Bevor man sich darüber freuen will, wie fein Peck (und seiner einen fabelhaften Job erledigt habende Produzent Jay Joyce) all die stilistischen Ausflüge von Bronco an manchmal nur schemenhaft übrig gebliebene Country-Aspekte gebunden haben, die Essenz von Pony jenseits der postpunkiger angehauchten Kanten auf die große Bühne gezogen und ihr das erhabene Panorama der bittersüßen Sehnsucht eines unheilbaren Herzensbruch verpasst haben, gilt es natürlich über die Stimme des Maskenmannes zu schwärmen: der Kanadier croont einfach so wunderbar selbstbewusst zwischen Elvis, Roy Orbison, Chris Isaak und Cher, dass es einfach eine Freude ist.
Mehr noch: Seine Stimme kommt in den sich mittlerweile aufgetanen elaborierten Möglichkeiten noch majestätischer zur Geltung, strahlt in der fabelhaften, enorm wertigen und geschmackvoll in Szene gesetzten Inszenierung praktisch makellos.
Was macht es da schon, dass Bronco letztendlich eine Songsammlung ohne stringenten Spannungsbogen bleibt, die hinten raus qualitativ ein klein wenig schwächer verklingt (bevor All I Can Say als gefällig verabschiedendes Duett mit Bria Salmena – deren Frigs-Kollegen überall auf der Platte aushelfen – den versöhnlichen Closer gibt). Dass ein paar nur gute Standards gepflegt werden (das beschwingte Blush ist netter Gitarren-Pop-Rock, die Ballade City of Gold slided unspektakulär), derweil die flotten Songs ästhetisch überzeugen, aber qualitativ doch minimal abfallen (also der Rock’n’Roll des Titelsongs sowie das schmissige, aber zu ambitionslos zum simplen Rockabilly ziehende Any Turn)?
Relativ wenig. Denn viel mehr Aufmerksamkeit generieren schließlich all die groß aufzeigenden Gesten der etwas zu lang geratenen Platte.
Daytona Sand pocht mit wirbelnder Snare ordentlich antreibend, beschwört eine spannende Stimmung und bimmelt zu Bruce Springsteen, wo die ätherisch schippernde Kontemplation The Curse of the Blackened Eye (als erster von zwei Songs mit Tobias Jesso Jr. in den Credits!) über sachter Percussion im atmosphärischen Schönklang Orvilles Stimme heulen lässt. Das Gefühl der Platte für Kohärenz mag nicht immer ideal sein, ihre Balance und das Gespür für Akzentuierungen ist aber meisterhaft.
Outta Time ist entspannter Americana Radiorock für endlose Straße. Inklusive Referenzen an den King in der Leidenschaft einer Herzschmerz-Landschaft, und Lafayette leichtfüßig um einen 80er-The Smith-Schimmer auf der Gitarre tänzelnd, zwanglos shakend und locker twistend. C’mon Baby, Cry lässt seinen großartigen Vintage-Refrain energisch auf der souligen Vergangenheit stampfen, um sich in der Aufmerksamkeit eines eleganten Festsaals mit geschlossenen Augen zu drehen, bevor Iris Rose eine melancholische Bläser-Sektion die an sich zurückhaltende Nummer schwelgend emporhebt.
Das Mundharmonika-Intro von Kalahari Down lässt seinen Kitsch aus der Intimität heraus geschmackvoll in der epischen Geste mit orchestraler Majestät aufblühen. In Trample Out the Days müssen die Gitarren wie bei The Other Side of Mt. Heart Attack erst zusammenfinden, schnipsen dann aber zu einem absoluten balladesken schwofenden Podest der Grandezza: überragend!
Das behutsam mit Hanclaps, Percussion und Banjo aufgebaute Hexie Mountains bleibt da ein klein wenig blasser, hat aber einen anbetungswürdigen Refrain, wo Let Me Drown sich als in Streicher gekleidete Klavierballade ganz wunderbar mit Schmalz und Pathos auf emotionaler Ebene verträgt.
Selektiv konsumiert werden einem diese süchtig Schönheiten jedenfalls allesamt noch verdammt viel Freude bereiten (weswegen im sich kaum abnutzenden Unterhaltungswert auch die Aufrundung in der Bewertung erfolgt, ungeachtet all der kleinen Schönheitsfehler), mögen sie inhaltlich großteils auch noch so bedrückend sein. Zumal sich niemand sorgen muss, dass Peck sich am konstanten Wachstum verhebt.
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