Oranssi Pazuzu – Muuntautuja

von am 16. Oktober 2024 in Album, Heavy Rotation

Oranssi Pazuzu – Muuntautuja

Für uns ist dieses Album wie eine Skulptur aus schwarzem elektrischem Schleim“ sagen Oranssi Pazuzu und umschreiben damit, dass sie ihre interstellar-psychedelische Vision eines grenzenlos finsteren Horrors womöglich noch nie derart zugänglich und kompakt in Form gebracht haben, wie auf ihrem sechsten Studioalbum Muuntautuj.

Unsere Experimente mit Samplern und Elektronik haben uns zu dem seltsamen Konzept gebracht, albtraumhafte Rave-Musik zu machen. Wir haben versucht, eine gemeinsame Basis zwischen tanzbaren Rhythmen und drückenden Wellen aus Lärm und Verzerrung zu finden“ diktierten Evill (grand piano, vocals, effects), Ikon (guitar, sampler, synthesizers), Jun-His (the voice, guitar), Korjak (drums) und Ontto (bass guitar, synthesizers) im Vorfeld weiter und erklärten damit gewissermaßen den Titelsong-Herold, der elektronisch pulsierend einen Trip Hop-Schlagzeugsound auf ein wundersam extraterrestrisches Space-Enigma-Sample treffen lässt, und den Gesang wie das aus kalten Schaltkreisen geborene Rezitieren einer mysteriösen Beschwörungsformel inszenierte, bis Oranssi Pazuzu doch noch ansatzweise an ihren Blackened-Wurzeln in einer heavy dröhnenden Post Metal-Actionsequenz aufbersten, die von modrigem Fuzz und giftiger Distortion triefende Produktion garstig ausgespien wird.

Dass die Nummer ein wenig aus dem Fluß, nicht aber aus dem Rahmen fällt, ist dann übrigens Symptom einer der wenigen Kritikpunkte an Muuntautuja: ein restlos rund sequenciertes Album will den Finnen einfach nicht gelingen, auch vier Jahre nach Mestarin kynsi  (2020) trägt die Band eher einzelne Passagen zu einem homogenen Ganzen zusammen (obwohl dies jedoch spätestens das ambiente Bindemittel als stimmungsvolle Überleitung im letztendlich immer weniger Nahtstellen offenbarendem, spektakulär faszinierenden Verlauf korrigiert). Dass die jeweiligen Nummern an klassischen Narrativen aus der Songwriting-Perspektive weniger interssiert sind, als imaginative Landschaften auszubreiten und deren Atmosphäre zu akzentuieren, ist hingegen längst ein Charakteristikum von Oranssi Pazuzu-Werken, das man mögen muß, um vollends in Muuntautuja eintauchen zu können.

Während Muuntautuja die elektronischen Komponenten symbiotisch in seinen psychedelischen Avantgarde-Sound aufgenommen hat (und von Club-Musik freilich immer noch weiter entfernt ist, als von den relativ Konventionen Anfängen der Band auf Muukalainen puhuu vor fünfzehn Jahren), und eine relative Soundtrack-Komponente gefühlt viel eher wichtig im Spektrum zu tragen kommt (Ikikäärme klimpert – als theoretisch befriedigenderer Closer – etwa wie ein Slasher-Lauern in einem Weltraum-Horrorfilm, bei dem eine EDM-Trance und orchestrale Dystopie irgendwie in das verschrobene Setting passen), fahren die fast schon kompakten 43 Minuten der Platte mehr griffige Szenen auf, als die Vorgängeralben sie offenkundig zugänglich machten.

Mit peitschend antreibenden Drums und röhrenden Saiten wirkt das harsch keifende (und zu schlauchförmig nach vorne gehende) Bioalkemisti wie eine besessene, ritualistisch hetzende Crust Inferno-Variante des Death from Above 1979-Rock, wo sich das ebenso fetzend rumorende Voitelu über Gitarren im Turbinenlärm-Rausch mit entmenschlichten Vocals ein tröpfelndes Suspense-Piano gönnt, das kaum markanter unter die Haut gehen könnte. Hautatuuli beginnt wie der entspannte Groove auf einem fremden Planeten, malmend und schillernd, über dessen krautigen Drive die Band epischer Texturen im sinistren Flüstern legt.

Valotus erwacht langsam als manisch getriebenes Ballern einer kontemplativen Eile voll Galle in einem verwunderlichen Märchen, das als kakophonisches Headbangen detoniert nur den Tinnitus finden kann.
Das stimmungsvolle Vierivä usva verweigert dann zu guter Letzt als retrofuturistisches Mysterium und katatonische Stasis jedwede Erlösung, entlässt als Abspann absolut schlüssig und als Finale dezent unterwältigend. Die Achillesferse des Sequencings hinter sich lassend wählt die Gruppe hier explizit die Ungewissheit, lässt in der Luft hängen und mit einer gewissen Ratlosigkeit zurück. Womöglich, weil wir es hier nicht mit einem Ende zu tun haben haben können – Oranssi Pazuzu werden über den Ereignishorizont von Muuntautuja hinausgehend weitermutieren.

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