Opeth – Sorceress
Sorceress gelingt, woran Pale Communion noch so ernüchternd gescheitert war: Den mit Heritage eingeschlagenen Weg von Opeth als Tributband an den Prog der 70er nahtlos fortzusetzen, ohne sich in der Selbstzufriedenheit zu bequem zu machen.
Im Gegensatz zum primär in seiner Verwalterrolle aufgehenden Vorgänger von 2014 begnügt sich Sorceress nun nicht damit, die aus der Zeit gefallene Makellosigkeit von Heritage zu rekonstruieren, sondern setzt innerhalb der eklektischen Hohheitsgebiete der neuen Opeth durchaus frische Impulse – die Band um Mikael Åkerfeldt agiert endlich wieder hungriger, anstatt sich vordergründig auf den erarbeiteten Lorbeeren auszuruhen, der Blick in den Rückspiegel ist dennoch allgegenwärtig.
Sorceress strotzt nicht nur vor musikhistorischen Querverweisen auf musikalischer und Meta-Ebene in dem einen oder anderen Titel, sondern spiegelt auch die eigene Vergangenheit immer wieder selbstreferentiell wider: Gleich der Titeltrack (der im Kontext übrigens deutlich besser funktioniert, denn als Vorabnummer für sich alleine stehend) schiebt der dumpf groovende Rhythmus, die Vintage-Orgel drängelt darüber energisch nach vorne, während sich Opeth ganz und gar in ein doomig tief gestimmtes, stoisch malmendes Riff lehnen und Metalerinnerungen vom retroaffinen Prog-Rocksound der aktuellen Bandphase assimilieren lassen.
Bis sich das reduziert inszenierte Will O the Wisp mit Akustikgitarre und Flöten vor Jethro Tull verbeugt, ein Slowhand-Solo par excellence einstreut und in aller Grandezza mäandert, darf man dann unmittelbar an große Bandballaden wie Harvest denken. Und alleine zu welch einer nach vorne rockenden, fetztenden, gnidelden Abfahrt sich das mit hypnotischer Bannkraft träumende Highlight Chrysalis dann lospreschend aufbaut, Era aus der Klaviermelancholie eine tight pressende Abfahrt mit hymnenhaftem Drang wachsen lässt oder Strange Brew sich aus der nebulösen Trance entspinnt, um zu einem unberechenbar zwischen Zärtlichkeit und Art-Hardrock ausschlagenden Komplex zu mutieren – so knackig und hart(näckig) hat man Opeth schlichtweg schon lange nicht mehr gehört.
Eine Entwicklung, die keine falsche Fährte, kein Zugeständnis an enttäuschte Altfans ist: Auch das zwölfte Studioalbum der Band um Mastermind Åkerfeldt watet wie seine beiden Vorgänger trotz derartig verdichteter Momente knietief durch ein innerhalb seiner stilistischen Eckpfeiler relativ innovationsloses, aber nicht gesichtslos aufbereitetes Referenzmeer, das sich aus Retro-Einflüssen vom klassischen Canterbury-Sound und Bands wie King Crimson speist und kaum weiter von den Prog-Death-Wurzeln der Schweden gedeihen könnte. Dennoch ist die Band alleine mit dem prägnanten Einstieg und derart knackig zupackenden nachfolgenden Szenen deutlich näher dran an einer Aussöhnung mit den Puristen der alten Opeth-Schule, als jeder andere Momente der Banddiscografie seit Watershed. Ein Umstand, an den Åkerfeldt selbst wohl keinen Gedanken verschwendet haben dürfte, der letztendlich auch keine Rolle spielt. Geht es Sorceress doch nicht um Aussöhnung, sondern rein um den Fortschritt im Kontext – das Album ist also nicht deswegen besser als sein Vorgänger, weil es vage an Szenen der alten Opeth erinnert, sondern weil Åkerfeldt über weite Strecken den zwingenden Fokus wiedergefunden hat, sich nicht ausruht.
Befeuert wird diese Energie durch die atemberaubende Produktion der Platte: Ohne handelsübliches Mastering und der ausgeweiteten Unterstützung von Co-Produzent Tom Dalgety klingt Sorceress voluminös und warm, fett und direkt, nach analogem High-End-Glanz mit strahlendem Raum-Gefühl und herrlich druckvoll.
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