Omar Rodriguez Lopez – Saber, Querer, Osar y Callar

von am 3. Juli 2012 in Album

Omar Rodriguez Lopez – Saber, Querer, Osar y Callar

So ist man das von ihn gewohnt: kein Monat nach Album Nummer 20 überrascht Mr. Rodriguez Lopez mit dessen Nachfolger. Und der Erkenntnis, dass der Getriebene seine Obsession zur Elektronik mittlerweile auch mit einer gehörigen Portion Nachvollziehbarkeit anreichern kann.

Natürlich im Rahmen seiner Möglichkeiten respektive entlang der Definitionsmaßstäbe von Omar Rodriguez Lopez, der sich mit ‚Saber, Querer, Osar y Callar‚ aus dem Nichts wieder einmal an seiner Affinität zu elektronischer Musik versucht – und den bisher abgeschrittenen Rahmen nicht nur deutlich spannender abmisst, als das vor einem Monat ‚Un Corazón de Nadie‚ getan hat, sondern zudem Expansionsforschung betreibt: den Bogen zu Rodriguez-Lopez  Auffassung von Pop- und Rockmusik spannt ‚Saber, Querer, Osar y Callar‚ jedenfalls nicht zuletzt insofern, als dass Songs stellenweise mit beinahe verfolgbarem Songwriting einher gehen, konkrete Ideen formulieren und diese gar in eindringlich emotional anfassbaren Momenten kanalisieren. Da fräßen sich schon mal klitzekleine, ansatzweise hymnische Ohrwurmmomente durch die gespannte Atmosphäre.

Was ja nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit im Soundkosmos des Omar Rodriguez ist, hier aber Gang und gäbe: ‚Gentle Umbrellas‚ bricht gegen Ende in einen säuselnden Refrains aus, in den man sich verlieren kann, ‚Decided‚ entscheidet sich für die vollkommene Zurückgenommenheit und ‚Fear Eats The Soul‚ ist bis zu seinem mit dem einsetzenden Schlagzeugtakt aus dem Rudern laufenden Irrsinn eine schwelgende Gitarrenelegie in Schieflage inmitten brutzelnder Rhythmen und abgedunkelter Industrialansätze, Downbeat und immer eben auch irgendwie Rock, während ‚Angel Hair‚ als balladesker Fiebertraum beginnt und letztendlich das Tanzbein schwingen würde, wenn das nicht auf Dauer zu kompliziert wäre. Viel näher als an ‚Un Corazón de Nadie‚ ist ‚Saber, Querer, Osar y Calla‚ oder ‚To Know, Want, Dare, and To Be Silent‚ deswegen auch an der Omar’schen Dubspielwiese De Facto vom Anfang des Jahrtausends. Mit zwei Schritten zurück ist Soloalbum Nummer 21 dennoch ein deutlicher Fortschritt für Omar – ein Paradoxon, dass sich vielleicht am besten anhand von ‚Tentaculos‚ aufzeigen lässt: die knapp vier Minuten kennt man bereits als ‚Agua Dulce de Pulpo‚ von ‚Un Escorpión Perfumado‚ oder von Livevariationen der Omar Rodriguez Lopez Group, so wie hier aufbereitet aber noch nicht – eine eindringliche, halluzinierende Woge zwischen Killimanjaro Darkjazz Ensemble-Dunkelheit und bluesig dahingeschleppter Tarantino-Coolness.

Über weite Strecken ist ‚Saber, Querer, Osar y Callar‚ dann zwar auch wieder eher Musik, über die man Staunen kann und die man fasziniert erforschen will, die vielleicht nicht jede Investition zurückerstatten will, weswegen etwa ein ‚Compartir (Sharing a Bus)‚ auch eher ziellos malträtierendes, fesselndes Studiogebräu ist, anstrengend und fordernd. Aber in Summe ist das Ergebnis packender und tatsächlich auch unterhaltsamer zu konsumieren, als ein Großteil von Omars Solo-Output. Da pulsieren fiebrige Elektroverflechtungen mit organischen Beimischungen, die Stimmung bleibt trippig unterkühlt, ohne in die Psychedelik zu kippen. Der aktuelle The Mars Volta Schlagzeuger Deantoni Parks sorgt hier und da für krumme Live-Beats, den Rest besorgt Omar im Alleingang. Dass er dabei vor allem auch als nebelschleierverhangener Noir-Sänger eine perfekt sitzende Performance abgibt, sollte nicht mehr überraschen, als dass es mit ‚Saber, Querer, Osar y Callar‚, dieser Schnittmenge aus nervöser Elektronik und entspannter Experimental-Rockmusik ohne Berührungsängste,  nun wahrhaftig so etwas wie eine Platte gibt, die man Einsteigern in Omars undefinierbare Welt der Soloausflüge ans Herz legen kann. Obwohl oder gerade weil das immer noch verdammt speziell, spleenig und diffus klingt – ohne diesmal jedoch vollends den Kopf zu verlieren.

 

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