Of Monsters And Men – My Head is an Animal
Weil die Uhren in Island im September 2011 einmal richtig gingen und die Insel kollektiv Kopf stand, schicken sich sechs blutjunge Harmoniesüchtige nun an, mit ihrem Debütalbum ein knappes halbes Jahr später auch den Rest der Welt mitzureißen.
Wenn etwas klingt wie das gemeinsame Projekt von Kate Nash und The xx-Sänger Oliver Sim, die sich als Backingband den heimeligen Bastard aus Mumford & Sons und Arcade Fire mit ins Studio genommen haben, dann hat das nicht nur am Papier Potential, um den nächsten Hype im Schlaraffenland des wieder so populär gewordenen Folkrock darzustellen. Da das dann auch noch aus dem sagenumwobenen Land der Elfen, Kobolde, Björk und Sigur Ròs kommt, ist die Sache natürlich ein feuchter Traumfür A&R Menschen um den Globus, die das Erstlingswerk aus dem September letzten Jahres nun auch wirklich auf die Weltbühnen holen. Und weil ‚My Head is an Animal‚ musikalisch auch zu halten versucht, was die Vorschusslorbeeren, die allerorts gelungenen Chartsplatzierungen und die verliehenen isländischen Musikpreise versprochen haben, ist das natürlich eine besondere Freude für all jene, die für das Sextett aus Garðabær noch Platz im Plattenregal zwischen The Head and The Heart, Other Lives und Dry The River haben.
Aber auch all jene, die das Klischee vom ewig eisigen, liebenswert ätherischen Ambientwahnsinn widerlegt wissen wollen, der die Bands von da oben alle im so unscharfen Fokus auftreten lässt. Of Monsters And Men klingen englischer als man das auf Island eigentlich können sollte, und kanadischer, als es manchmal gut für sie ist. Die große Pathosgeste von Mumford & Sons, die beherrschen die Isländer ebenfalls perfekt, nur bieten diese sie verschmitzter an, fahren neben der komplexeren Stampfrhythmik auch das volle Programm an Streicher, Fanfaren, Harmoniken und Backgroundshouts auf. Wenn schon fröhlich und beschwingt, dann bitte so richtig losgelöst. ‚Little Talks‚ steht da stellvertretend an erster Stelle für das ungemeine Händchen an eingängigen Melodien in Hymnennähe, dass Of Monsters And Men konsequent von vorne bis hinten ausspielen. Nanna Bryndís Hilmarsdóttir und Ragnar þórhallsson wollen oder können sich dabei nie so recht entscheiden, wer da nun wann singen soll und ziehen die Sache schlußendlich oftmals ganz einfach gemeinsam durch, wenn der richtige Zeitpunkt zum Wechsel verpasst wurde. Die anderen vier im Hintergrund, die machen in den Momenten meistens auch gleich mit, Gruppendynamik und so. Doppelt hält besser, aber der satte Minichor im Hintergrund richtet es doch nachhaltiger.
Wo Of Monsters And Men Folkrock reingedacht haben, kommt meistens doch noch irgendwie Indiepop raus, wie man ihn beim Picknick auf der Waldlichtung hören möchte. Da passt es nur zu perfekt, dass ‚My Head is an Animal‚ unzählige Tiere besingt und der Imagination Lauf genug lässt, um gar von Tiefsinnigkeit zu sprechen. Ein paar melancholisch blickende Augen zwischen all den hochgeworfenen Armen sorgen für Abwechslung, aber nicht für traurige Gesichter.
Keine Frage: Diese junge Bande beherrscht ihren Spielplatz nahezu perfekt und serviert dem ausgehungerten Szenefolk einen beachtlichen Happen. An dem sich freilich niemand verschlucken soll – ‚My Head is an Animal‚ macht sich selbst nie zu kompliziert und versucht die Verehrung vor Marcus Mumford und den Seinen gar nicht erst zu kaschieren. Weil sympathische Hartnäckigkeit im Ohrwurmformat auch allzu penetrant werden kann, wie die unzähligen „Hey!„-Passagen zu aufdringlich vor Ohren führen. Hier findet man die i-Tüpfelchen auf der allzu braven Zielgruppenbedienung: die Arrangements bemühen sich um Radioairplay aber nicht um Originalität. Was vor fünf Jahren noch mutig gewesen wäre, trieft nun vor Konventionalität und Vorhersehbarkeit. Vor allem als unbeschwertes Debütalbum ohne Erwartungsdruck könnte sich ‚My Head is an Animal‚ dabei doch Freiheiten nehmen, Risiken eingehen, nach den Sternen greifen und mit ein bisschen Wahnsinn auslüften, schlicht dem jugendlichen Übermut frönen. Stattdessen herrscht nahezu perfekt frohlockende Zielstrebigkeit und eine baukastenartige Souveränität, die andere Bands erst im Alter auffahren. Wo frischer Wind wehen sollte, haben Of Monsters And Men schon leichten Muff im Kellerbau angelegt. Von den mancherorts herbeizitierten „neuen Arcade Fire“ braucht also nicht die Rede sein – tolle Vorbands können die Kanadier allerdings sicherlich immer gut gebrauchen. Wie der Sommer auch seinen euphorischen Soundtrack.
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