O’Brother – Garden Window
von Oliver am 12. Februar 2012 in Album, Heavy Rotation
Ja, natürlich: ‚Garden Window‘ hat mittlerweile schon ein paar Monate auf dem Buckel. Aber nun kommt dieser unfassbar packende Stilmoloch endlich auf physischem Tonträger und außerdem kann man nicht oft genug auf dieses Wunderwerk hinweisen. Fans aller Lager, vereinigt euch!
Dass sich da Großes ankündigt, war wahrscheinlich schon einigen Wenigen nach ‚In Comparision to Me‚ klar. Als O’Brother 2006 noch relativ gängigen Mid-West Rock schrammelten, der immer wieder mit dramatischem Metalgeshoute aufhorchen ließ. Das folgende ‚The Death of Day‚ spielte dann schon in einer anderen Liga, dazu erarbeiteten sich die Jungs aus Atlanta durch Konzerte mit La Dispute, Thrice oder Brand New sowie anhand einer feinen Splitsingle mit Sainthood Reps einen ehrfurchterregenden Ruf. Dazu kamen eine blitzsaubere Daytrotter Session sowie ein Audio Tree Auftritt, der so richtig heiß auf das erste Studioalbum machen konnte. Bevor ‚Garden Window‚ im November 2011 schließlich als Download veröffentlicht wurde, war doch Angst vorhanden: Den immens hohen Level können die wohl halten – aber Andy Hull und Robert McDowell produzieren.
Die Produzentenwahl war wohl nicht die Optimale. Die beiden Manchester Orchestra Musiker haben ‚Garden Window‚ nicht nur (zu) nahe zu ihrer eigene Band gezerrt, sondern O’Brother auch brachialer als gewohnt in Szene gesetzt als gewohnt. Das mystische, nebulöse, dass nicht zuletzt den Gesang von Tanner Merritt umgab, ist einem unheimlich dichtem Sound gewichen. Die flirrenden Postrock Gittarren spielen nun fassbarer, geerdeter und beeten den oftmals christlich theologischen Grundton der Texte („So if god is an acronym/ some giver of damnation/Then why even bother with the concept of men„) in ein aggressiveres Umfeld. Am anschaulichsten wohl der direkte Vergleich anhand von ‚Lay Down‚ und ‚Lay Down‚. Man kann in Kenntniss des bisherigen Backkatalogs der Band ‚Garden Window‚ enttäuschend finden, vor allem jedoch (aber nicht nur) bei Erstkontakt schwerlich jedoch wirklich etwas schlecht. Ungeachtet der Ausgangslage bleibt festzuhalten: ‚Garden Window‚ kann viel, so unfassbar viel.
Allein der Start in die Platte: ‚Malum‚ drückt mit tonnenschwerem Schlagzeug, verheißungsvoller Percussion und malmendem Doomriff die Spannung in bester Kylesa Manier in die Höhe. ‚Lo‚ dröhnt als bestialisches Rockmonster, das sich als Stoner prächtig fühlt und vielleicht der beste Queens of the Stone Age Moment seit Jahren ist – Mörderbridge inklusive. ‚Sputnik‚ ist so sehr Manchester Orchestra, dass sich Andy Hull gleich selbst ans Mikro stürzt – ein Hardrock Gospel. Schon das eröffnende Trio poltert in unterschiedliche Richtungen los und lässt kaum Wünsche offen. Geht mit Brachialität und einfühlsamen Melodien geradezu verschwenderisch um. Wirft mit Hooklines und Riffs nur so um sich. Und dann kommen da noch Songs wie die majestätisch fliegende, gespenstisch heulende Klangkathedrale ‚Poison!‚, das viertelstündige, ansatzweise im Hardcore verwurzelte Epos ‚Cleanse Me‚ (passenderweise mit Jeremy Bolm von Touché Amoré am Mikro) oder der mit Harfen gespickte, engelsgleiche Schlußtrack ‚Last Breath‚.
The Felix Culpa und vor allem Thrice scheinen immer wieder als große Helden der Band auf. Aber auch Tool, die Deftones oder Colour Revolt blitzen da durch und dass das sogar von Postrock, Mogwai oder Sigur Ròs die Rede ist, hat damit zu tun, dass O’Brother ihren Songs weitreichende Arrangements gönnen, sie niemals auf dem schnellsten Weg durchs Ziel schleifen. ‚Garden Window‚ ist dabei so sehr aus einem Guss, wird von dem permanent drückenden, heavy Sound zusammengehalten und überhöht. Tanner am Mikro veredelt das variantenreiche Songwriting, hantiert mit unheilschwangeren Flüstern bis hin zu Jeff Buckley-gleichem Glockenklang in melodramatischen Höhen und festigt den erhabenen Charakter der Kompositionen. Dieses Dramatische, Überlebensgroße in ihrer Musik, zelebrieren O’Brother ähnlich majestätisch wie die Bombastrocker von Muse.
Ein Puzzleteil von vielen. O’Brother schrauben auf ihrem Debütalbum tausende Kleinteile zu einem monströsen, überwältigenden Ganzen. Ein intensives, eklektisches Kaleidoskop der Genieblitze. ‚Garden Window‚ bleibt trotz aller Präsents unwirklich und ist im besten Sinne aus der Zeit gefallener Alternative Rock ohne Scheuklappen. Und nun Dank möglicher haptischer Wahrnehmung gleich noch ein bisschen schöner.
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