OAK – Disintegrate
Das (ehemalige) Gaerea-Doppel Guilherme Henriques (guitar, vocals) und Pedro Soares (drums) nimmt mit seinem Zweitwerk Disintegrate Feinjustierungen auf dem 2019 mit Lone vorgestellten Funeral Death Doom vor.
Die unweigerlich seit jeher aufkommenden Vergleiche mit Bell Witch werden die beiden Portugiesen alleine deswegen auch deswegen weiterhin nicht abschütteln (wollen), weil das Zweitwerk des Duos in regelrechter Mirror Reaper-Manier aus nur einem Song besteht – das imposante (und letztendlich erstaunlich kurzweilige!) Volumen von 45 Minuten einnehmend.
Doch die Referenz ist weiterhin keine Bürde, Oak haben immer noch die Klasse – und auch den Sound sowie die hermetisch einnehmende Stimmung eines reichhaltigen, vielschichtigen Worldbuildings -, um große Vergleiche zu stemmen, wenn sich das Gefühl von purer Einsamkeit wie ein dankbar erfüllender Mühlstein um den Hals legt.
Disintegrate beginnt dafür dort, wo etwa Dredg ihre Melancholie ausatmend sinnieren lassen: eine verträumte, nostalgisch tröstende Melodie schwelgt entlang einer perlenden Gitarre, unter die das Schlagzeug mit fast stoisch gefärbten Reverb kriecht, bis Oak das aufgeräumte Geflecht heroisch brechen, die hymnisch cleanen Figuren, die symptomatisch für Disintegrate sind, mit finsteren Growls (die bis in die depressiv Begierde die Zähne fletschend reißen, stimmlich grandios abliefern) konterkarieren.
Im weiteren Verlauf pendeln Oak diesen Modus zwischen weich homogenisierten Amplituden, die weniger wie konträre Extreme, als die zwei Seiten einer Medaille harmonieren, ein: da sind nachdenkliche Einkehren in ruhige Passagen, die bis in den Ambient und Postrock reichen, und (stärker ausgeprägt als bisher) selbstbewusst zum Blackened-Gallop die Zügel enger anziehende Ausbrüche – doch selbst wenn es poltert und tackert, die Dynamik aus dem Hintergrund kommt, gehorcht alles einer malerischen Tragik voll elegischer Anmut und schwelgenden Spannungsbögen.
Disintegrate bremst sich hier und da bis in die fast beklemmend kontemplative Meditationen aus, schleppt sich ohne zu verzweifeln mit einer einnehmenden Vergänglichkeit, was auch die bedrohlichsten, eigentlich peinigendsten Eindrücke zur reinigenden Katharsis mit regelrecht optimistischem Lichtblick macht: die traurige Sehnsucht beschwört keinen katatonischen Hass.
Gerade der Sog, der sich rund um die Halbe-Stunde-Marke der Platte auftut, plättet dennoch mit archaischer Macht, doch wirkt der daraus hervorgehende geschmeidige Ethereal-Schimmer umso erlösender, zumal der Groove anzieht und Disintegrate gerade in Summe ein erfüllendes Gewicht entwickelt. Dass die Kaskade im organischen Fluss als wertige Odyssee dabei nicht die ehrfurchtgebietende Masse der stilistischen Vorbilder entwickelt und im Detail betrachtet auch die wirklich (genial) herausragenden Einzelszenen vermissen lässt, rückt da angesichts der so dichten Atmosphäre kaum in den Fokus der Wahrnehmung (weswegen auch wertungstechnisch aufgerundet werden kann).
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