Nick McCabe – Present Imperfect

von am 30. Mai 2023 in Album

Nick McCabe – Present Imperfect

Der ehemalige The Verve-Gitarrist Nick McCabe hat sich längst einen Namen als intuitiv forschender Ambient-Klangbastler gemacht. Present Imperfect gibt  einen ausführlicheren Einblick in diesen Prozess.

More improvised music, this time selected from early 2023. Represented accurately with minimal processing. A small part of an inadvertent diary.“ führt McCabe an und geht noch ein wenig weiter ins Detail: „Improvised early 2023, part of an ongoing practice of variable feedback looping (see also We Are Are We). Unreconstructed from the two sessions, captured by Sound Devices recorder, microphones in M/S, meaning interaction in the room is audible. Being a vérité recording = no value assumptions. Amp noise is free.
Nach Name Your Price-Bemessung via Bandcamp als Quasi-Fortsetzung von We Are Are We. deklariert, orientiert sich McCabe tatsächlich wieder weniger an den etwas griffigeren Songformaten, wie es die hervorragende Kooperation mit Pete Salisbury im vergangenen Jahr vage probierte, und lässt sich wieder ganz durch instrumentale Instinkt-Odysseen treiben – tut dies aber zwischen den Zeilen gefühlt kompletter, runder, vielschichtiger und ja, auch „effektiver“ als bisher.

Konsumiert man die Klangwelten nicht passiv auf ihre imaginative Gravität hin ausgerichtet, gibt es genau genommen sogar viele Ideen im Gefüge zu beobachten, aus denen McCabe ein sich im ständigen Wandel befindliches, homogene Kaleidoskop schafft.
In Attrition schweben die Gitarrenschleifen frei, wandern mit einem beruhigenden Gespür für träumendes Staunen in abgeklärter Zurückhaltung: alles fließt formoffen, aber nicht ziellos, und die Möbiusband-Saiten flirren mit einer geduldigen Nonchalance, entspannt, interessant – mit melancholischem Optimismus. Nach rund einer Viertelstunde bekommt Attrition sogar eine dringlichere Aufbruchstimmung, schwingt sich bratzend und stampfend.
Später lassen die funkelnden Ansätze von Melodien lassen eine episch skizzierte Anmut erahnen, doch werden sie natürlich nicht greifbar und lösen sich schnell im Oszillieren der Loops auf, bevor Attrition sich hinten raus friedlich, auch ein bisschen traurig in aller Stille in ein kaum wahrnehmbares Knistern zurückzieht.

Derart analytisch kartografierend registriert man Present Imperfect aber eigentlich nicht, wenn man sich ganz in die atmosphärische Wirkung umspülen lässt.
Viel angenehmer ist es nämlich eigentlich, sich dem sanften Wellengang des wehmütigen (perfekt betitelten) Entropy mit geschlossenen Augen hinzugeben, in der nostalgischen Schönheit wie in einer beinahe vergessenen, verschwommenen, aber doch liebgewonnenen Erinnerungen zu schwelgen, derweil zurückgenommenes Indie-Schrammen und gehauchtes Summen weich durch einen elegisch sinnierenden Soundtrack begleiten, in dem sich die Gitarrenspuren ineinanderlegen, sich in subtiler Sehnsucht auffächern und schillernd schimmernd.
Dass man die zweimal je 28 Minuten von Present Imperfect im Umkehrschluss nur zu leicht ebenso einfach als zielloses Geplänkel abtun kann, wenn man ein weniger stark ausgeprägtes Faible für das Genre an sich im Allgemeinen, und McCabes Klangfarben, Ästhetik und Spielgefühl im Speziellen hat, liegt in der Natur der Sache.

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