Nick Cave & The Bad Seeds – Live from KCRW
Der Nachschlag zu dem an dieser Stelle unter Wert verkauften ‚Push the Sky Away‚: Nick Cave und seine Bad Seeds protzen auch live nicht mehr mit überschüssigen Testosteron, sondern pflegen zurückgenommen die feine Klinge.
Aufgenommen in zurückgeschraubter Besetzung (nur Cave, Ellis, Casey, Sclavunos und Adamson waren am 18.April 2013 in Los Angeles im Apogee Studio anwesend) destilliert der nun veröffentlichte Mitschnitt für KCRW die Magie der Bad Seeds im kleinen Rahmen an der Grenze zum besinnlichen Upper Class Jazzclub. Die Band beginnt hier dort, wo ‚Push the Sky Away‚ sich am unhandlichsten gezeigt hat: bei der knapp neunminütigen Meditation über Teilchenbeschleuniger und Miley Cirus, dem ‚Higgs Boson Blues‚, und minimiert dessen Soundgewand gefühltermaßen noch einmal eine ganze Ecke: das Besenschlagzeug hält sich noch vornehm im Hintergrund und begnügt sich mit schleppenden Rassel-Einsatz, davor bemühen sich Bass und die führende Gitarre redlich darum sich in Sachen Sorgfalt und Zartheit zu übertreffen. Das ansonsten allerorts als Rückgrat anzutreffende Klavier huscht hier noch nur kurz und unvermittelt ins Geschehen, die beseelte Männerchor den die Bad Seeds rückt sich jedoch gleich gemeinschaftlich ins rechte Licht. Und Cave eben als Zentrum. Zum Niederknien!
Vier der zehn versammelten Songs stammen letztendlich von ‚Push The Sky Away‚ – und man muss sich nicht aus dem Fenster lehnen um anzumerken, dass sie den Test der Zeit wohl alle mühelos bestehen werden, sich hier inmitten einiger Klassikers bestens geborgen fühle.
‚Wide Lovely Eyes‚ verzichtet auf unterkühlte Elektroniknähe und stellt ein stolperndes Klavier vor die stoisch und leise vor sich im Hintergrund knatternde Gitarre in die Auslage, lässt die Bad Seeds dahinter gefühlvoll heulen. Cave selbst hat die Ärmel seines gebügelten Hemdes mittendrinhochgekrempelt, scheint aber über den Dingen zu schweben. Die esoterische Halluzination ‚Push the Sky Away‚ bekommt eine spärliche Percussion präsentiert, das stets überragende ‚Mermaids‚ tauscht sein ‚Whiter Shade of Pale‚-Keyboard gegen Klavier, Backgroundchor und ein herrlich exaltiert schmutziges Gitarrensolo am Ende.
In der selben atemberaubenden Schlichtheit präsentieren die älteren Songs. Der Titeltrack vom insgeheim besten Bad Seeds Album ‚And No More Shall We Part‚ wird im Eingangsbereich ausgeschmückt und hinten raus mit rauchigen Harmoniebackground versorgt, ‚The Mercy Seat‚ wird beinahe liebevoll umsorgt und fährt als resignierte Klavierballade auf eine andere ergreifende Art unter die Haut, als das unter Strom stehende Rock-Version. ‚People Ain’t No Good‚ lässt seine immanente Wahrheit anschmiegsam gedeihen und ‚Far From Me‚ gleitet in melancholischer Schönheit mitsamt Fidel über einen souligen Teppich. Nur ‚Jack the Ripper‚ darf als Abschluss und Ausreißer überraschend aggressiv seine Zähne zeigen – es soll sich ja niemand in falscher Sicherheit wiegen.
Wo die Bad Seeds sich 2013 für ihr bestes Album seit über einem Jahrzehnt ein Stück weit neu erfunden haben ringen Cave und seine Mannen ihren Songs auch im Livegewand neue Facetten ab, und zeigen sich zwischen den Pausen und begeisterten Applauswellen so gut aufgelegt, wie die Spielfreude exzellent ohne große Gesten auskommt die Dramatik im Detail findet und 10 betörende Schönheiten sie in so zeitloser Eleganz zeigen wie vielleicht noch nie zuvor. ‚Live from KCRW‚ gelingt jedenfalls das Kunststück im Unklaren zu lassen, ob man nun die Studioversionen oder diese hier bevorzugen möchte – und gewinnt alleine dadurch.
Wenn der verwöhnte Fan an diesem Pflichtkauf als etwas aussetzen muss dann höchstens, dass 53 Minuten Spielzeit subjektiv viel zu kurz geraten sind. Da helfen dem Süchtigen auch ‚Into My Arms‚ und ‚God is in the House‚ als zusätzliche Bonussongs auf der Vinyl-Version nur minimal.
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