NGHTCRWLR – Let The Children Scream
Kris Esfandiari gebiert nach King Woman und Miserable mit dem NGHTCRWLR-Debüt Let the Children Scream eine neue kreative Projektionsfläche: „This theatrical odyssey will transport you into another dimension and leave you stupefied.“
Zumindest herrscht knapp 30 Minuten später durchaus eine desorientierte Faszination, wenn Esfandiari aus Let the Children Scream ein in impulsiver Dringlichkeit pulsierendes Kaleidoskop aus Drone-, Industrial-, Avantgarde-, Noise und 808-Feedback-Versatzstücken gebastelt hat, das alle Ventile der Katharsis geöffnet hat, all die aublitzenden Impulse kaum bändigen oder sortieren will, um sich selbst zu therapieren.
Bolt (RIP Miss Maryam 999) loopt Harsh Noise-Schübe a la Pharmakon mit verzerrten Schreien und distanzierter Rezitation, bevor das ambiente Glimmern des Titelsongs erst versöhnlich in nebulösen Erinnerung an einen verwunschenen Kinderchor in sakraler Atmosphäre schwelgt, die juvenil-nostalgische Trauma-Therapie aber bald aus dem unwirklichen Sepia-Weichzeichner in die minimalistisch pumpende Elektronik mit rasselnden Beats und kehlig skandierenden Stimmen mutiert.
In Daymare treibt ein hektisches Sample die Collage als Rückkoppelungs-Fiebertraum zum brutalen Downbeat -Club mit aggressiver Attitüde und Firestarter ist tatsächlich ein hypnotisch-spediertes The Prodigy-Cover aus der halluzinogenen Zeitlupe-Hölle als Herzstück der Platte.
Shine! wirft dahinter einen irritierenden Sonnenaufgang und Bugs Bunny-Begrüssung einer beinahe relaxt träumenden R&B-Entschleunigung zum Fraß vor – wären die Texturen und die Stimmung nicht derart verstörend und ungemütlich, könnte man dazu beinahe entspannen. Die delirante Meditation Candyman skizziert hinten raus die Tanzfläche als Organismus am Abgrund und wer auch immer Nation Under Creep als poppigen Dark-Folk-Goth-Trap mit einem Bein im abseitigen Distortion-Klangexperimente bezeichnet hat, lag nicht so falsch – vergisst dabei aber hoffentlich nicht, wie wohlig, anschmiegsam und irgendwie auch bezaubernd dieser Quasi-Hit wummert.
Und sicher bleibt Let The Children Scream damit bis zum reduzierten Moxofosoleesa (das aus der Höhle zu einem zurückgenommenen Trance-Drumbeat flüstert, im Äther einer Seance badet, die den skelettierten Groove von Kim Gordon findet) ein Stückwerk, dass sich so impulsiv wie eigenwillig an seinen ambitionierten, aber wenig fokussierten Perspektiven aufreibt. Und damit irgendwie sogar aus dem Stand weg zur aktuell vielleicht spannendsten Spielwiese von Kris Esfandiari wird.
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