Nestor – Teenage Rebel

von am 3. Juni 2024 in Album

Nestor – Teenage Rebel

Nestor haben mit ihrem 2021er Debütalbum Kids in a Ghost Town neben The Night Flight Orchestra als schwedische Speerspitze des 80er-US AOR positioniert – und unterstreichen diese Stellung mit ihrem Zweitwerk Teenage Rebel nun relativ mühelos.

Tobias Gustavsson (vocals), Jonny Wemmenstedt (guitar), Marcus Åblad (bass), Martin Frejinger (keyboards) und Mattias Carlsson (drums) brauchen keine Originalität, sondern frische Hits und Hymnen aus den 80ern, die das Jahrzehnt zwischen Survivor, Def Leppard, Europe, Van Halen oder Journey so nicht abgeworfen hat – und schreiben sie deswegen ein weiteres Mal kurzerhand selbst.
Das Vintage-Paket Teenage Rebel bewegt sich dafür ohne Überraschungen kompetent und versiert absolut typisch im Rahmen seiner vergangenheitsliebenden Genre-Interessen, adaptiert gefühlt jedes Element aus einer universellen Erinnerung an die vergangene Epoche und schmachtet vor Sehnsucht: Unzählige Assoziationen scheinen ihre Quellen so offensichtlich vor sich herzutragen und liegen beim Benennen doch eher unkonkret auf der Zunge – Teenage Rebel erzeugt einen Teil seines Reizes auch aus dem Verlangen daraus, seine Zitate greifbar zuzuordnen, während die Band dahinter die Summe ihrer Querverweise zu mehr als einem Imitat eint.

Schließlich überzeugen Nestor wie schon auf dem Vorgänger primär damit, ihr Schaulaufen auf der Basis eines unbedingt catchy funktionierenden Songwriting hochzuziehen, absolut authentisch.
Alles geht sofort ins Ohr, ist schmissig und macht es kaum unter dem potentiellen Hit, macht aber auch beim dritten Durchgang noch Spaß – und ob man vor dem zehnten nicht bereits zu richtigen AOR-Klassikern gewechselt hat, erscheint angesichts solcher Instant-Highlight wie Last to Know (The Police sagen Missing You oder bittersüß die Fäuste in die Luft reckend: „My life plays back like a movie scene/ I missed those days when we were seventeen“) eigentlich auch nebensächlich. Dass Nestor jedoch gerade die (dynamisch in eine kurzweiligen Albumfluss eingewobenen) Powerballaden wie The One That Got Away (Quasi All for Love aus der Perspektive von Meat Loaf) oder das den Kitsch über die Stränge genau ins Ziel stemmende Daughter bestechend gut gelingen, muss dennoch hervorgehoben werden. Also Feuerzeuge raus!

Hinter seinem idealen Artwork (und dem stimmungsvollen Intro The Law of Jante) lässt Teenage Rebel die Ohrwürmer jedenfalls jenseits der gimmickhaften Guilty Pleasure-Qualität auflaufen und setzt von We Come Alive – mit seiner epischen Aufbruchstimmung, den Synth-Verzierungen, Riffs und Solos – weg die Attitüde einer Platte, die Nostalgie als packend unterhaltende Antriebsfeder nach vorne versteht.
Da liebäugelt das Titelstück mit mehr Heartland-Essenz im Kern und legt sich Victorious weiter in die Atmosphäre und bietet sich für die eigene Vintage-Workout-Playlist an, derweil Caroline zum „Ohoohoooo“-Stadionchor klimpert, ohne den Bogen zu überspannen: genau solche im Kontext wohl dosierten Schmankerl heben die Band eine Klasse über die meisten Konkurrenten!
Und bevor Unchain My Heart smooth stampft, macht Addicted to Your Love den lockeren Hard Rock mit Bon Jovi-Salut oder drückt 21 cheesy aufs Iron Maiden-Gaspedal. Was vielleicht alles nicht die Tür zum Megastar-Level der verehrten Ikonen und ihrer Evergreens aufstoßen dürfte, aber den mit dem Überraschungserfolg Kids in a Ghost Town verdienten Status mehr als nur festigt.


Print article

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen