Nell Smith & The Flaming Lips – Where The Viaduct Looms
Die immer für schrullig-eigenwillige Kollaborationen zu habenden Flaming Lips agieren auf dem Nick Cave & The Bad Seeds-Coveralbum Where the Viaduct Looms als Backingband für ihren 14 jährigen Fan Nell Smith.
Wayne Coyne und Co. waren ja bekanntlich noch nie um aufmerksamkeitsgenerierende Gimmicks verlegen – und haben nach dem grandiosen American Head aus dem Vorjahr sowieso (wieder) noch mehr Narrenfreiheit als sonst schon.
Die Geschichte von Where the Viaduct Looms ist für Flaming Lips-Verhältnisse insofern wohl nur schlüssig: Nell Smith wird von ihrem Vater zu Konzerten der Band mitgenommen, entwickelt sich schnell zur exzessiven Anhängerin und macht als Papagei verkleidet im Publikum stehend auf sich aufmerksam, kommt so mit Coyne in Kontakt und erwähnt, dass sie selbst auch musikalische Ambitionen habe. Die Flaming Lips springen daraufhin als Mentoren ein und Coyne überzeugt Nell anstelle eigener Songs erst einmal mit Coverversionen von Nick Cave warmzulaufen.
Vor diesem saloppen Hintergrund ist es dann vielleicht der größte Triumph von Where the Viaduct Looms, zu keinem Zeitpunkt den Eindruck zu erwecken, dass sich das ungewöhnliche Kooperations-Gespann an den überlebensgroßen Originalen verheben würde, sondern diese mit einer traumwandelnd-naiven Unbekümmertheit anzugehen, den Essenzen der Nummern sogar eine eigenständige Ebene verpassen zu können. Einzig: Zu einem wirklich gelungenen Album lässt das Where the Viaduct Looms leider trotzdem nicht werden.
Ästhetisch und atmosphärisch übersetzen die Flaming Lips die Bad Seeds-Versionen mit dem ihnen typischen, patentierten Signature Sound aus kuschelig wattierten, liebenswürdig schrägen Neo Psychedelik Pop. Die Synthies und Gitarren plätschern um entspannt zappelnde Beats und vereinzelte Effekte (wie Polizeisirenen, Vogelgezwitscher oder Glockenläuten), die Melodien fließen in halluzinogener Hypnose. So prägend und unverkennbar die Handschrift der Band derart auch ist, so zurückhaltend agiert sie dabei jedoch stets, arrangiert die Songs unaufdringlich und nuanciert, hält mit unspektakulären Facetten an der Stange. Weeping Song wandelt exemplarisch lethargisch in sedativer Zeitlupe mit Akustikgitarre und Chor etwa Richtung Yoshima at War with the Mystics und nimmt zur Hälfte doch noch an Fahrt auf – ein zum groovenden Rhythmus wechselnder Kniff, den auch O Chidren oder das verschleppte No More Shall We Part pflegen, während Red Right Hand gar irgendwann auf ein heavy schepperndes Schlagzeug setzt.
Diese Ebene der Platte ist absolut einnehmend und nett, wirklich absolut angenehm zu hören und alleine durch seinen individualistischen Mehrwert eine relative Relevanz reklamierend.
Die Schwachstelle von Where the Viaduct Looms liegt insofern leider bei der Hauptdarstellerin. So unfair es sich anfühlt, die 14 jährige für ihre Performance zu kritisieren, hat Nell einfach (noch) kein entwickeltes Organ, ihr Gesang ist austauschbar. Sie säuselt eh sehr niedlich mit unbekümmerter Selbstsicherheit, aber zeigt dabei keine Spannweite oder emotionales Spektrum, was leicht gespenstisch entrückt stimmungstechnisch auch zur Musik passt, allerdings darüber hinausgehend nie über eine gefällige Beiläufigkeit hinauskommt. Zudem muss sich Nell immer wieder einigen produktionstechnischen Manierismen wie extremen Hall und sonstigen verfremdenden Effekten auf der Stimme beugen, auf die Coyne an sich schwört. Das trägt nicht dazu bei ein eigenständiges Profil entwickeln zu können, funktioniert aber toll in Symbiose mit der Musik – wenn auch mit der ambivalenten Wirkung, ständig den Wunsch zu nähren, die Coverversionen von der ausdrucksstärkeren Stimme Coynes kredenzt zu bekommen. (Auch wenn dieser dem Gewicht der Kompositionen wohl bewusster begegnen hätte müssen – und nicht auf die die Cave‘sche Präsenz ohne Vorbelastung niemals reproduzieren wollende Nonchalance von Nell setzen könnte).
Entlang eine rstarken Selektion und gelungener Verneigungen wie dem unendlich zurückgelehnten Into My Arms oder der Trance The Ship Song kann man Where the Viaduct Looms so eigentlich nicht nicht mögen – sehr wohl aber bedauern, dass die eigentlich exzentrisch ausgelegte Platte ein wenig zu sehr in die Egalität geneigt ist.
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