Natalie Prass – Natalie Prass

Natalie Prass ist unglücklich und lässt einem dabei mit ganz wundervollen Songs zwischen Pop, Soul und Americana das Herz aufgehen. Großes Beziehungskino im Breitwandformat, wohldosiert inszeniert und elegant umgesetzt. Kaum zu glauben, dass es sich hierbei um ein Debütalbum handelt.
Alleine wie behände die 29-Jährige Neo-Nashvillerin (geboren ist Prass in Virginia, gefühltermaßen könnte man sie aber auch in Memphis oder New Orleans verorten) durch die schmeichelweich ausladenden Arrangements aus Streichern, Bläsern, Flöten und sonstigen jubilierenden Orchesterbestandteilen gleitet: dass ihr Kumpel und Produzent Matthew E. White hierfür eine bis zu 30 köpfige Band (samt Lambchop-Vibe!) zusammenstellen geholfen hat merkt man phasenweise kaum, dass die ersten Demo-Gehversuche hierfür behelfsmäßig auf wackeligen iphone-Aufnahmen fußen noch weniger.
Vor allem die Intimität, die ‚Natalie Prass‚ in einem theoretisch so üppigen Umfeld zu erzeugen weiß, ist schlichtweg bemerkenswert. Weil Prass ihren Songs mit regelrecht kindlicher Neugierde begegnet, so natürlich durch das Geschehen tänzelt und das hinter ihr aufgefahrene Brimborium mit einer geradezu schüchternem Zurückhaltung – man kann auch sagen: einer altersweise wirkenden, erfahrenen Dosierung – im Gesang kontrastiert, das ist wie vieles an ‚Natalie Prass‚ schlichtweg große Klasse.
Am besten ist dennoch gleich der imposante Opener ‚My Baby Don’t Understand Me‚, in dem Prass über eine erhabenen Breakup-Melancholie gleitet, Dinge wie „I don’t feel much/ Afraid I don’t feel anything at all“ sinniert, als würde die Worte niemand sonst hören, und sich über ergreifenden, ja triumphierenden Bestärkungen ihrer Band in einem Meer aus Gänsehaut freizuschwimmen: „Our Love is Like a Long Goodbye„. Zeitloser kann ein gebrochenes Herz nicht leiden, schöner war das Jahr 2015 bisher noch nicht. Dusty Springfield wäre wohl stolz auf Prass.
Wo viele andere Platten an einer derartigen Vorgabe gescheitert wurden, kann Prass durchaus nachlegen. Das leichtfüßige ‚Bird of Prey‚, das auf jede aufstampfende Wut verzichtet und seinen Frieden mit sich selbst geschlossen zu haben scheint trällert gar vergnügt: „Oh-oh-oooh, you don’t leave me much choice, but to run away„. Wie geschmeidig Prass der Schwere der Grundthematik begegnet, wie zielsicher sie jedweden Kitsch umgeht: das ist so liebenswert und verletzlich wie gewichtig und schlau, dazu stets mit der Zuversicht ausgestattet, dass am Ende jedes dunklen Tals ein Regenbogen schlummert, auf den es sich zu warten lohnt. Ohne bis dahin im Trübsal zu versinken.
‚Christy‚ klingt deswegen, als hätte Harfen-Joanna (Newsom) einen Song für den jungen (!) Scott Walker geschrieben, ein theatralisches Stück Drama, aber ganz ohne übertrieben große Geste. Für das abschließende ‚It is You‚ scheint Judy Garland am Broadway der 1950er durch ein Disney-Märchen zu tanzen, kleine Zeichentrickvögel zwitschern vor dem inneren Auge. Das beschwingte ‚Your Fool‚ übersetzt alten Soul mit einem modernen R&B Gerüst, ‚Never Over You‚ ist ein kindlich-naiver Traumtanz, bevor ‚Reprise‚ dann den beinahe zu gefällig werdenden Albumfluss als sich auf die Hinterbeine zu Stellen versuchendes Spoken Word-Intermezzo aufbricht.
Nicht jeder Augenblick von ‚Natalie Prass‚ kann dabei die selbe Intensität entfalten, mit der selben herausragenden Ergriffenheit die Seele und Ohren streicheln, und die selbe zeitlose Magier verströmen. Weswegen die Platte zur Mitte hin auch immer wieder andeutet, sich in einer ganz und gar bezaubernden Easy-Listening-Betörung aufzulösen. Dass Prass ihre Soundwelt selbst hier erstaunlicher ausbreitet als es ihre zeitgenössischen Kolleginnen tun spricht ebenso für die Newcomerin, wie die Tatsache, dass dieses Debüt dennoch nie die Balance verliert. Ein großes Versprechen an die zukunft, diese Frau.
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