Nas, Serious Klein [02.11.2024: Gasometer, Wien]
Kurz und bündig: Nas feiert das dreißigjährige Jubiläum seines Meisterwerks Illmatic triumphal – und fegt danach durch ein Diskografie-Potpourri bis zu der anstehenden Kooperation mit DJ Premier, um relativ mühelos zu demonstrieren, warum er noch immer eine Klasse für sich ist.
Gleich vorweg: Dass Kelvin Boakye gebürtiger Deutscher ist, hört man seinem rund 20 minütigen Set in keinster Weise an. Als Serious Klein eröffnet er den Abend unabhängig davon jedenfalls pünktlich und überzeugt in Folge sehr solide, sehr amerikanisch – ganz so, wie es sein auch schon sechs Jahre altes Debütalbum You Should’ve Known es zwischen Boom Bap und Trap versprochen hat.
Das Bestreben, zwischen den Songs stets pflichtbewusst Stimmung für den nachfolgenden Auftritt von Nas zu machen, lässt das eigene Material zwar manchmal zu sehr in den Hintergrund rücken – aber der Mann ist eben merklich dankbar, mit einem seiner Idole auf Tour sein zu können. Und das Publikum goutiert sein Set durchaus, auch wenn der Funke (Richtung „Jump!“-Aufforderungen) nur bedingt überspringen will – die Call and Response-Parts der Hooks macht die Menge aber gerne und motiviert mit, der Applaus ist weitaus mehr als nur höflich. Das Warm-Machen funktioniert einfach, effektiv und unspektakulär. Notfalls auch, wenn am am Ende die DJ-Untermalung wegbricht und der MC auf sich alleine gestellt ist.
Ohne zu Begeisterungsstürmen hinreißen zu müssen dürfte sich Serious Klein dürfte sich an diesem Abend wirklich einige neue Fans gemacht – und verdient – haben.
Dass man schon während Serious Kleins Auftritt einmal mehr vorgeführt bekommt, dass die Location hinsichtlich der Soundqualität eine kleine Zumutung ist, wird sich übrigens den restlichen Abend nicht ändern: Die Basslines sind beispielsweise auch bei Nas zu leise, die Höhen meistens zu laut und das Dazwischen indifferent verschwommen.
Was dann aber auch der einzige wirklich gravierende Kritikpunkt am Wien-Gastspiel der Rap-Ikone ist. Denn ein anderer – dass die Main-Show mit ein wenig über 70 Minuten Spielzeit arg kurz ausfällt – wird auch dadurch relativiert, dass das rund 22 Tracks umfassende Set einfach wie im Rausch verfliegt: Der 51 jährige New Yorker hätte wohl auch noch drei zusätzliche Stunden weitermachen können, ohne das Publikum zu verlieren. Praktisch ohne Länge (mit Ausnahme der zwei Phasen vielleicht, in denen sich Nas die Zeit nimmt, für die ersten Reihen von der Bühne aus Merch zu signieren – was für die restliche, ausverkaufte Halle latent antiklimatisch zugegeben weniger spannend, aber zumindest verdammt sympathisch wirkt) ist das einfach ein unpackbar kurzweiliger Tourstopp, bei dem jede Sekunde enorm viel Spaß macht.
Ein Gutteil davon ist auch Verdienst des Publikums. Das legt nämlich vom ersten Augenblick einen so leidenschaftlichen Enthusiasmus an den Tag, was auch Nas eigene Erwartungshaltungen an das Gastspiel in Österreich zu toppen scheint. Das überraschend junge Menge vor der Bühne gibt sich textsicher und interaktionslustig, erzeugt eine absolut tolle Stimmung, die das Trio auf der Bühne wiederum mit immer mehr Energie auflädt. (Gespräche, die sich bei mutmaßlichen nach den 90ern geborenen Generationen nach der Show darum drehen, wie beeindruckend es ist, dass Nas ohne Playback rappe, verwundern dennoch).
Diese Mega-Atmosphäre lässt die in sich geschlossene Show dann auch ungeachtet etwaiger Schönheitsfehler – ein vergessener Text hier oder eine doppelte Strophe in It Ain’t Hard To Tell da – an der gefühlten Perfektion kratzen, derweil ein nostalgischer Trip aus der Memory Lane in die so vitale Gegenwart mit schnörkelloser Effektivität Funken sprüht.
Tolle Visuals erzeugen eine Nostalgie, die durch die zwingende Performance kraftvoll konterkariert wird. Dem Momentum kann man sich kaum entziehen, relativ schnörkellos. Nas – modetechnisch mittlerweile in veritablen Busta Rhymes-Leder-Gefilden angekommen – braucht kein effektheischendes Brimborium in der Inszenierung, sondern konzentriert sich (weniger auf einen geschmeidigen Flow als auf eine pushend Intonation setzend) in der Wucht von Hasmon Abraham II (alias Haze Amaze) an den Drums und DJ Green Lantern an den Turntables auf seine elementare Ausnahme-Klasse, wie er auch im ausgedehnten Closer verdient in Erinnerung ruft: „All I need is one mic, one beat, one stage“.
Das zum Einstieg komplett und chronologisch gespielte Illmatic geht insofern sowieso runter wie Öl und macht es schwer zu entscheiden, ob The World Is Your, Memory Lane (Sittin‘ in da Park) oder Represent am stärksten gefeiert werden – es ist dagegen obsolet, dass die Hook von One Love ein klein wenig zu dröge gerät: das Material ist einfach Wahnsinn, die Umsetzung packend.
Das folgende Schaulaufen an Post-Debüt-Tracks lässt danach kaum weniger mit der Zunge schnalzen. Da geben sich schließlich auch nur (Highlights die Klinke in die Hand: Get Down oder das geborgte Eye for an Eye (Your Beef Is Mines), If I Ruled the World (Imagine That) und Got Ur Self a Gun oder The Message – die Stafette aus Klassikern und Lieblingssongs versiegt einfach nicht und formt (mit kompakter als in den Studioversionen dargeboteten Live-Adaptionen) ein rundes Ganzes.
Dass da dennoch nicht alle Hits Platz finden ist zwangsläufig klar, aber trotzdem schade, zumal Vertreter der so superben Magic– und King’s Disease-Trilogien in diesem Rahmen einfach zu kurz kommen (müssen). Zugabe gibt es allerdings keine. Dafür jedoch mit Define my Name einen aktuellen Blick in die Zukunft, der richtig Appetit macht. Und endgültig unterstreicht: Nas ist kein Legacy Act, sondern ein zeitloser Klassiker, der aktuell eine besonders starke Phase seiner ausfallfreien Karriere zelebriert. Da kommt man kaum aus dem Schwärmen raus.
Setlist:
The Genesis
N.Y. State of Mind
Life’s a Bitch
The World Is Yours
Halftime
Memory Lane (Sittin‘ in da Park)
One Love
One Time 4 Your Mind
Represent
It Ain’t Hard to Tell
The Message
I Can
Got Ur Self a Gun
40-16 Building
Eye for an Eye (Your Beef Is Mines)
I’m on Fire
Define My Name
Nas Is Like
Moments
Rare
Get Down
If I Ruled the World (Imagine That)
One Mic
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