Nachtmystium – Silencing Machine

von am 5. August 2012 in Album

Nachtmystium – Silencing Machine

Nur, weil sich Nachtmystium auf ‚Silencing Machine‚ wieder dem klassischer veranlagten Black Metal annähern und keine Saxofone blasen, hat man es auf dem sechsten Studioalbum nicht gleich mit handelsüblicher Genrekost zu tun – ganz und gar nicht.

Fürs erste haben sich die Mannen um Frontmann Blake Judd mit dem zweiteiligen ‚Black Meddle‚-Ausritt jedenfalls offenbar weit genug hinausgewagt, treten mit ‚Silencing Machine‚ also zumindest zwei Schritte zurück und  ebenso viele zur Seite, knüpfen damit vage beim Freispiel und heimlichen Meisterwerk ‚Instinct: Decay‚ an. Vielleicht die logische Konsequenz aus der Entwicklungsgeschichte der Band, und während sich Nachtmysium also noch darüber wundern, dass ‚Assassins‚ (2010) und ausgerechnet – und vor allem -das überragende, aber von den Musikern selbst wenig geliebte ‚Addicts‚ (2008) die Band mit der fragwürdigen Vergangenheit an die Speerspitze des US-Black Metal katapultierte, sprießen nicht nur eine, sondern gleich mehrere Supergroups um Judd und Spezi Sanford Parker aus dem Boden. Weil Nachtmystium neben Liturgy, so scheint es, ihre Metalspielart durch das Abwerfen aller Scheuklappen aus den tiefsten Tiefen der Norwegischen Wälder in die Urbanität der amerikanischen Aufmerksamkeit gezogen haben. Als müsste ‚Silencing Machine‚ direkt auf diese Entwicklungen abseits der Musik Stellung beziehen, sich im Rahmen seiner Sozialisierung aber verweigern und abermals unberechenbare Hacken schlagen, stellen Nachtmystium den Fokus 2012 also wieder schärfer ein, konkretisieren ihre Definition von Black Metal näher an der klassischen Auslegung wie schon lange nicht – und damit natürlich trotzdem meilenweit davon entfernt.

Dawn Over the Ruins of Jerusalem‚ eröffnet dennoch überraschend unüberraschend als bestialischer Abgesang auf Weltreligionen, hat genregetreue sägende Gitarren und hämmernde Blastbeat und trotzdem wenig von der transzentalen Atmosphäre von eigentlich nahverwandten Bands wie Wolves in the Throne Room, ist immer noch an Rockschemen angelehnt, inhaliert im schmutzigen Klang Schweiß und Blut ohne Corpse-Paint, spätestens wenn die Drums gen Ende abgebremst werden, schielt das sogar leicht in Richtung Metalcorebeats. ‚And I Control You‚ rattert dazu entsprechend auf der Überholspur an der Bassdrum vorbei, während heulende Gitarren unkonkrete Melodien abzubilden versuchen. Das die Psychedelik vorangegangener Alben eben keineswegs aus dem Gesamtbild Nachtmystium verschwunden ist, zeigt der unzählige Male Anlauf nehmende Titelsong, ‚Silencing Machine‚ lässt zudem zuerst nur leichte Synthiefäden durch die kleinen Luftlöcher ziehen, packt schließlich aber eklatant in den Vordergrund pumpende Elektronik nahe am Industrial aus. Soli dürfen nahe am klassischen Metal gespielt werden, Judd keift dazu infernal und von Drogenexzessen aufgepeitscht, gewähren Nachtmystium Ruhepausen, hat das nichts beruhigendes, gerade in der zwielichtigen Atmosphäre beängstigt das Quintett erbarmungslos.

Ein ‚Borrowed Hope and Broken Dreams‚ bricht dann mit den bis dahin etablierten Ansprüchen ohnedies restlos, ist nahe am Hardrock mit poppiger Grundmelodie geschultert, ‚Give Me The Grave‚ ist ein Hit im Midtempobereich. ‚I Wait In Hell‚ hortet hingegen verstörende Samples, zitiert Godflesh, Nine Inch Nails und Slayer gleichermaßen, die Bässe gurgeln wie mutierte Zirpen in der rohen aber satten Produktion. Spätestens hier zeigt sich, dass die mittlerweile von der um Judd rekrutierten Söldnerbande der Anfangsjahre zur namhaften Supergroup (mit [Ex-] Mitgliedern von Middian, Wolves in the Throne Room, Von, Indian, Lord Mantis) gewachsenen Nachtmystium die progressiven Erfahrungen der letzten halben Dekade weitaus subtiler in ihr Gesamtwerk einzubinden gelernt haben. Ausnahmen wie der iritierende Teufelstanz ‚Decimation, Annihilation‚ bestätigen freilich nur die Regel und selbst hier gilt zum Glück: ihre schwächsten Momente hat die Band dieses Jahr definitiv bereits auf ‚As Made‚ verbraten. Dass ‚Silencing Machine‚ auch wegen seiner spannungsattackiernden Länge keinen neuen Zenit in der Schaffenkraft von Nachtmystium darstellt, kann man Judd und Co. nicht vorhalten, ist dies doch ausschließlich auf die immense Stärke der letzten drei Alben zurückzuführen. Ihren Ruf als Innovatoren des Genres unterstreichen Nachtmystium hiermit jedenfalls abermals, ihre Vormachtstellung als Ausnahmeerscheinung im (US)BM sogar gleich doppelt und dreifach.

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