Mystery Jets – Home Protests
Die Mystery Jets schicken ihrem aktuellen Studioalbum A Billion Heartbeats aus der Heimquarantäne Home Protests hintennach: Neun unspektakulär gut gelungene Coversongs mit entspanntem Revoluzzertum im Blut.
Dass A Billion Heartsbeats in der 2020er-Rangliste von Metacritics auf dem starken 22. Platz rangiert, kann man durchaus beachtlich finden – wenn auch nicht nachvollziehbar. Immerhin hat die solide Platte vor allem unterstrichen, dass die Engländer zwar eine ebenso gute wie chronisch unterschätzte Band sind, aber ihre essentiellen Songs eben schon vor knapp eineinhalb Jahrzehnten geschrieben haben.
Eine Einschätzung, die sich festigt, wenn Home Protest durchaus nachhaltigeren Eindruck hinterlässt, als die reguläre aktuelle Studioplatte: Zwar greift der meist im Alleingang agierede Blaine Harrisson hier vornehmlich nur auf eine Gitarre, ein bisschen Piano, einen bescheiden bleibenden Homerecording-Sound und seinen charismatischen Gesang zurück – haben aber eben einfach deutlich brillantere Songs zum spielen, als das eigene Material und Können seit langer Zeit abwirft.
Aber gut, der Vergleich hinkt, denn hier tummeln sich auch ein paar Klassiker und Evergreens – an denen sich die Mystery Jets durch die unaufgeregte und sympathische Reduktion der Performance aber nier verheben.
You Are The Generation That Bought More Shoes And You Get What You Deserve (Johnny Boy) schleppt sich zum stoischen Beat aus der Vergangenheit zu einer Lofi-Gitarren und Melodie, die auch Lou Reed gefallen würde, Freedom (Richie Havens) klingt so locker schrammelnd mit seiner minimalistischen Percussion, den Handclaps und Call and Response-Passagen als wären die Kooks zu bodenständigen Straßenmusikern geworden. Als nostalgische Melancholie klimpert Shipbuilding (Elvis Costello) und Oxygen (Willy Mason) zeigt eine ergehende Dramatik mit subtil romantischer Wehmut. The Age of Self (Robert Wyatt) liebäugelt mit einer 70er Psychedelik, Tablas und dem minimalistischen Folk – nur der Schlußpunkt Jesus‘ Blood Never Failed Me Yet (Gavin Bryars) als in Zeitlupe aus den Tasten tröpfelnder Epilog, beschwörend still und bewusst monoton-repetitiv kann ein bisschen nerven, ist aber ebenfalls kaum gravierend genug, um zuviel Emotionen zu investieren.
Am meisten Spaß machen aber ohnedies die drei Hits von Home Protests: Big Yellow Taxi (Joni Mitchell) als liebenswerte Nonchalance, das unangestrengte Short People (Randy Newman) und Peter Gabriels Don’t Give Up, das sich die Drummachine von Phil Collins aus den 80er borgt und den androgynen Refrain wunderbar zart und gefühlvoll haucht.
Als Fan lohnt es sich also, diese nette Fußnote ins Regal zu stellen, ohne eine zu große Sache daraus zu machen: „When we had to take some time out after Blaine’s operation at the end of last year, we got together each week to record a different cover of some of our favourite protest songs. Songs about mental health, the environment, consumerism or racial intolerance, which still feel as real now as they did when they were written. Some happy, some sad. What with the lockdown, and not being the kind of people to like to miss out on a party, we decided that now would be a pretty nice time to share them with you guys.“
Ob die anvisierte, ohnedies nur sehr klein bemessene Vinyl-Auflage jedoch überhaupt zustande kommen wird, bleibt angesichts der überschaubaren Anfrage vorerst unsicher.
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