Myrkur – Spine

von am 3. November 2023 in Album

Myrkur – Spine

Myrkur bleibt stilistisch wandelbar, verhebt sich aber diesmal am Versuch, eine ihre bisherige Entwicklung mit neuen Perspektiven zusammenfassenden Wollmilchsau abzuliefern: Spine ist nicht wirklich rückgratlos, aber frustrierend wahllos geraten.

Seit jeher scheint es ebenso einfach wie in Szene-Mode zu sein, Myrkur die „true“ Authentizität abzusprechen. Doch funktioniert dieser Umstand auch in umgekehrter Richtung, wird man doch postwendend von vornherein als puristischer Metal-Snob abgestempelt, sobald man die Musik der Schwedin kritisiert.
In diesen zumindest subjektiv empfundenen Umstand fügt sich Spine nun mit einer fast aufdringlichen, paradoxerweise auch ernüchternd kalt lassenden Ambivalenz: Das vierte Studioalbum der Dänin greift in eine ebenso jeder Neigung nachgebenden wie kalkulierten Verpflichtungen verbundenen Zutaten-Box, und wirft diese an die Wand, um zu sehen, was hängen bleibt. Das Ergebnis ist, nach dem rundum gelungenen Einstieg mit Bålfærd – einem cinematographisch über die im mystischen Nebel des Nordens hängenden, folkloristischen Ausläufer von Folkesange gleitenden Intro, das die sphärische Stimme von Amalie Brun als instrumentales Element neben zauberhafte Streicher stellt -, ein Album, das absolut vielversprechende Ansätze mit vielen Fehlentscheidungen kontrastiert, und ständig am Pastiche entlangschrammend Potential liegenlässt, um zum unrunden Clusterfuck zu werden, an dem so viele Dinge stören.

Vor allem das regelrecht willkürlich anmutende Songwriting, das über weite Strecken ziellos strukturiert eine Liste an zu implementierenden Ästhetiken abzuarbeiten scheint, oft den billigen Ausweg über abrupte Enden oder mutwillig in Sackgassen manövrierte Kompositionen den auflösenden Klimax nicht liefern kann. Oder eine Inszenierung, die über eine kraftlose, enervierend blasse und schlichtweg langweilig kaum Zähne zeigende, keine Giftigkeit provozierende Produktion im Mix alles dem Gesang unterordnet – der jedoch leider darunter leidet, die gleichförmigste und unvariabelste Performance von Myrkur bisher ablichtet. Was wiederum der Veranlagung der abwechslunsgreich ausgerichtet sein wollenden Songs an sich abträglich ist.

In Like Humans sorgt die ätherische Gesangslinie über  dem düsteren Doom Rock mit seinen generisch schweren Riffs und Rhythmen für eine bittersüße Eingängigkeit, wiewohl der Schwenk zum vom Ethereal Wave verwaschenen Black Metal-Geballer geradezu kitschig wirkt. Auch, dass Mothlike, von der Spine-Atmosphäre assimilierter, elektronisch schimmernder Synth Pop (der Myrkur übrigens ebenso fabelhaft steht wie der Pathos der kammermusikalischen, Ioanna-Gika-mit-Netz-und-doppeltem-Boden assoziierende Klavierballade My Blood Is Gold) keifende Texturen und heulende Gitarren addiert, verdeutlicht, dass die harte Gangart die redundante Schwachstelle der Platte ist – da kann das melodramatische Titelstück noch so schön in die erhabene Nische aus Blackgaze und Post Metal bagatellisieren, Valkyriernes sang Tremolo und Blastbeat ohne jede Aggression als reine (und zudem abrupt abgedrehte) Wohlfühlzone auslegen, weil der Sound ohne raue Ecken und Kanten auch den Ansatz eines coolen, jedoch kaum inspirierten Formel-Riffings uninteressant in die Rolle der Achillesferse rückt.

Auch hinten raus bessert sich die Lage nicht: das gute Blazing Sky scheppert jenseits von Chelsea Wolfe gotisch mit poppiger Griffigkeit, wird jedoch im letzten Drittel einfach in einen verirrten Ambient gelenkt, um sich dort zu verlieren, derweil das final wattierte Black Metal-Gebolze im orchestral arrangierten Darkwave-Traum Devil in the Detail unnötig erscheint, bevor das gezupfte Schlaflied Menneskebarn als sentimentale Liebeserklärung an den Nachwuchs für einen in sich geschlossenen, ja sogar beinahe versöhnlichen Abspann sorgt, vor allem aber unterstreicht, dass in Hinblick auf Spine im Ganzen weniger einfach Mehr gewesen wäre.

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