My Dying Bride – The Ghost of Orion
My Dying Bride verteidigen mit The Ghost of Orion die kreative Relevanz, die sich die stilprägenden Genre-Instanz in den vergangenen Jahren nach einer relativen Schwächephase wieder erarbeitet hatte, tut dies aber in einer ungünstigen Form.
Drei Dekaden lang sind My Dying Bride bereits eine der maßgeblichsten Referenzen im Doom, alleine die Karriere von Pallbearer wäre ohne das Vermächtnis der Briten niemals möglich gewesen.
Dass fünf Jahre seit Feel the Misery vergangen sind, ist dann aber keine Frage des Alters: Die Tochter von Sänger Aaron Stainthorpe hat in dieser Zeit den Krebs besiegt. Währenddessen stand das Kollektiv still, bis auf die Tatsache, dass mit Gitarrist Calvin Robertshaw und Drummer Dan Mullins zwei Mitglieder in der ungewissen Schwebe ob einer möglichen Reaktivierung der Band für ein dreizehntes Studioalbum ausgestiegen sind.
Es ist verständlich, dass die Band in dieser traumatischen Ausgangslage (sowie natürlich generell vor dem Hintergrund des eigenen legendären Status) etwas Monumentales schaffen wollte, alleine schon in der Masse keine kleine Brötchen backen wollten. Wofür My Dying Bride in subversiver gesetzten Facetten durchaus etwas an ihrem Sound geschraubt haben: The Ghost of Orion gibt strukturell einer relativ klaren Zugänglichkeit Raum, erschafft Refrains, lässt zudem die technisch starke, aber subjektiv gelegentlich etwas zu sehr in der Balance Richtung gestelztem Pathos kippenden, gesungenen Vocals von Stainthorpe und die wirklich tolle, weil erfrischende Schlagzeugarbeit von Neueinsteiger Jeff Singer durch eine zu saubere Produktion strahlen – gerade der sterile Sound der Drums schadet jedoch der elegischen Klangwelt.
Nichtsdestotrotz fühlt man sich jedoch schon zum Einstieg sofort zu Hause auf The Ghost of Orion, wenn sich diese elegische Melange aus Sehnsucht, Trauer und Verzweiflung über seinen klassischen Gebrauch melodischer Flächen, epischer Riffkaskaden, Synthie-Texturen und sogar die (von Gast Jo Quail bisweilen willkürlich als Gimmick eingeschleusten) Goth-affinen, pastoralen Cello-Linien eine heimelige Atmosphäre erzeugt.
Diese immanente Klasse darf sich in seiner überzeugenden Routine deswegen auch gar nicht unbedingt vorwerfen lassen, dass My Dying Bride dabei keinen wirklich nach oben ausbrechenden Geniestreich erzwingende können, muß sich dafür aber eben auch vor allem an den hauseigenen Meisterwerken messen – höchstens das sphärisch über einem summierenden Gitarrengeflecht und der Stimme von Lindy Fay Hella anderweltartig schwende 4 bricht schließlich aus einen zuverlässigen Gesamtbild ragend aus, das vor allem das pure Können exerziert.
Schon zu diesem Zeitpunkt von The Ghost of Orion (und trotz starker Stücke wie Tired of Tears) haben My Dying Bride jedoch nicht immer trittsicher zum Punkt ihrer Kompositionen gefunden, mäandern im Ganzen ohnedies zu ungezwungen flanierend durch eine Nabelschau, die über die Spielzeit von 56 Minuten einfach ungewohnt viele leere Meter vermisst. The Long Black Land wird etwa erst mit seiner instrumental weit auseinander wandernden Mitte grandios, auch wenn hinten raus die Fäden aus der Hand zu gleiten drohen, erzeugt Tiefe und imaginativen Sog. Der Titelsong ersinnt als zurückgenommen gezupfte, simple Einkehr ein stimmungsvolles Motiv, das sich jedoch nicht entwickelt und zudem an dieser Stelle im Albumfluß deplatziert und redundant wirkt. Das abschließende Your Woven Shore will hingegen seine friedvolle Einkehr durch engelsgleiche Chöre mit dem wenig subtilen Vorschlaghammer demonstrieren, was an sich durchaus ein schöner Ausgang ist, aber eben auch ein sehr demonstrativ-plakativer Epilog, der wenig organisch an The Ghost of Orion addiert wurde. Zumindest ist er insofern schlüssig, als dass My Dying Bride mit The Old Earth eine durchaus grandiose, ausnahmsweise härter und bissiger agierende Katharsis beschwören, die ihre dualistischen Einzelideen nicht restlos auf eine Linie bekommt.
Auch wegen einer derartiger Ambivalenz hätte der Reigen im entschlackteren EP-Format (oder zumindest um einige unnötige Umwege gekürzt) wohl deutlich besser funktioniert. Was aber eben nichts daran ändert, dass My Dying Bride einfach keine per se schlechten Alben abliefern und ihr eigenes Denkmal trotz einiger Schönheitsfehler adäquat pflegen.
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