Muse – Origin of Symmetry: XX Anniversary RemiXX
Zum 20 jährigen Jubiläum von Origin of Symmetry haben Matt Bellamy und Co. Produzent Rich Costey engagiert, um das zweite (und wahlweise auch beste) Muse-Album via eines XX Anniversary RemiXX neu entdecken zu können.
Der Remaster auf Origin of Muse hat die Briten wohl motiviert, noch mehr aus einem eigentlich nahe der Makellosigkeit agierenden Werk herausholen zu wollen, was ohne eine grundlegende Überarbeitung mangels Luft nach oben allerdings nicht möglich gewesen wäre. Origin of Symmetry: XX Anniversary RemiXX beginnt seine Modernisierungsmaßnahme jedenfalls beim Sound. Der ist tatsächlich markant knackiger und präziser, wirkt räumlicher und plastischer, einfach teurer. Alle Elemente (vor allem die klarer und definierter im Spotlight stehende Rhythmussektion) sind hervorragend in Szene gesetzt und beeindrucken mit ihrem definierten Auftreten so sehr, dass man guten Geweissens übersehen kann, dass die Inszenierung phasenweise auch einfach auf Lautheit setzt, hinsichtlich der dynamischen Reichweite sogar komprimierter funktioniert, als das (technisch sogar immer schon suboptimale CD-)Original.
Überhaupt kann man bei allen soundtechnischen Vorzügen des XX Anniversary RemiXX subjektiv immer noch klar die ursprüngliche Version von Origin of Symmetry bevorzugen. Als würden nun die einzelnen Bäume den Blick auf den Wald verstellen, bleibt die Gesamtheit der Masse der 2001er Platte insofern unerreicht, als dass diese eine rohere Heaviness damals eine direktere Energie hatte, die ausbalancierte Synergie wichtiger war, als selektive Highlight-Artikulationen. Freilich wohl wahr, dass dies auf den Erstkontakt mit Origin of Symmetry ohne nostalgische verklärte Prägung und konditionierte Hörgewohnheiten kaum zu Buche schlägt.
Insofern wird die Sache sowieso polarisierend, wenn die Änderungen (hinter dem symptomatisch auf Hyperrealismus setzenden Neo-Artwork von Sujin Kim) nicht ästhetischer, sondern inhaltlicher Natur sind: Zahlreiche Passagen wurden (manchmal subtil im Detail in das Gesamtbild eingearbeitet, manchmal offenkundig und frontal in der Auslage schaulaufend, oft auch nur instinktiv zu verorten) abgewandelt, teilweise auch neu aufgenommen, dann wieder im Mix komplett anders akzentuiert.
Space Dementia klotzt im zweiten Part nun etwa mit wirklich epischen High End-Streichern, Plug in Baby wirkt nicht nur an seinem eigentlich aufdrehenden Ende gepflegter und eleganter – lässt Bellamy vor allem leider nicht mehr atmen – und auch Citizen Erased gibt sich geordneter, während der Bass massiver und mächtiger am Industrial dröhnt, sich die Sythies ätherisch ausbreiten und die Gitarre wie so oft erstaunlich weit in den Hintergrund tritt, bevor das versöhnliche Klavier-Outro umso schöngeistiger in purer Klarheit schwelgen kann. Die Snare in New Born schafft es, aufdringlich laut zu sein und die Drums dennoch seltsam dünn wirken zu lassen, verdrängt das Riff jedenfalls zu sehr.
Der Einstieg in Micro Cuts besticht nun durch die Grandezza seines organischen Cembalos, gleichzeitig wird das Intro gefühlt zu stark beschnitten, indem Bellamy (mit einigen gesanglichen Modifikationen) früh mit einem gothisch-säuselnden Gesang einsteigt, der in seiner sakralen Theatralik nicht mehr übersteuert. Überhaupt ist seine Stimme tiefer und nicht so hysterisch, die abgehakte Rhythmik weniger angriffslustig (eher zu träge) und die Gitarre springt nicht mehr von einem Ohr zum anderen, dafür gibt es einige zusätzliche technoide Effekte im Abgang.
In Screenager kommt die halluzinogen-relaxte Percussion besser zur Geltung und der Basslauf von Darkshines veredelt mit einer Jackson’esken Funkyness, die 20 Jahre später verdient in die Auslage kommt. Feeling Good ist mit seiner Strophen-Violine, zusätzlichen Orchester-Nuancen und Stimm-Tieferlegungen (wie alle zu bemüht ausgelegten Singles) einer der (nein, eher der!) Verlierer des Faceliftings, wohingegen der urpsrüngliche Bonustrack Futurism an sich idealer agiert, als das Original – nur hier als Song absolut deplaziert wie ein Fremdkörper im Albumfluss anmutet, bevor Megalomania seine Oppulent, seinen Pathos und sein Orgel-Meer rundum berauschend aufzeigen lässt.
Kurzum: Es passiert hier in jedem einzelnen Song so viel (neues), eine Auflistung aller Unterschiede würde ins schier endlose wandern. Letztendlich machen Costey und Muse einfach vieles verdammt richtig und (zumindest aus Puristensicht) auch ebenso viel falsch oder wenigstens verschlimmbessernd. Einigen wir uns also vielleicht darauf, dass die Adaptionen von Origin of Symmetry: XX Anniversary RemiXX eine ambivalente Angelegenheit mit essentiellem Mehrwert geworden sind – man sich im Zweifel aber ohnedies sowohl an den alten wie auch den aktuellen, immer interessanten und absolut willkommenen Versionen und ihren jeweiligen Vorzügen erfreuen darf, da man (im Gegensatz zu etwa Megadeth) ja die Wahlmöglichkeit zwischen zwei individuellen Glanztaten behält. Wer 2001 die Euphorie über das unersetzliche zweite Album von Matt Bellamy, Chris Wolstenholme und Dominic Howard nicht als Teil seiner musikalischen Sozialisierung gefeiert hat, muß (!) sich also insofern wertungstechnisch nachfolgend noch mindestens einen Punkt hinzudenken.
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