Muse – Drones
Die Flut an vorab über den Äther geschickten Lyric-Videos (und natürlich die legendär schlechte Musikexpress Kritik) gab bereits Grund zur Sorge, dass die prolongierte Rückkehr von Muse zu mehr Simplizität/Rock und weniger Produktionselektronik drumherum ein noch größerer Griff ins Klo werden könnte, als der an seinen Möglichkeiten erstickende, überkandidelte Vorgänger ‚The 2nd Law‚. In seiner Gänze beschwichtigt ‚Drones‚ derartige Befürchtungen nun allerdings erfreulicherweise – ohne deswegen das Niveau alter Glanztaten zu erreichen.
Es macht das siebente Studioalbum der Engländer zwar dennoch nur bedingtermaßen zu einem tatsächlich guten Album – aber angesichts der vorausgeschickten Auskoppelungen liegt ‚Drones‚ letztendlich doch absolut überraschend über den aufgebauten (ergo: niedrigen) Erwartungen. Denn wo sich über die Sinnhaftigkeit der Entscheidung gerade die überwiegend schwächsten Songs der Platte als Teaser herzunehmen freilich streiten lässt, hat diese allerdings doch den entgegenkommenden Nebeneffekt, dass man für die vollständigen 52 Minuten der Platte abgehärtet ist.
Man kennt die schwache Anfangsphase des Albums bereits: den erst käsig auf eine falsche 80s-Schiene führenden, als Opener aber durchaus souverän eingesetzten und phasenweise auch herrlich aufmachenden (der „I gave you everything I can’t give you anymore„-Part!) Grower ‚Dead Inside‚; die erschreckend platte ‚Starlight‚-Adaption ‚Mercy‚, die Coldplay, My Chemical Romance und diversen Boygroups gleichermaßen Fans abgraben wird; und natürlich die hochnotpeinliche Kombination aus der beschämenden ‚[Drill Sergeant]‚-Ansprache und dem von Robert „Mutt“ Lange so plump wie hartnäckig catchy gen AC/DC marschieren geschickten Hardrocker ‚Psycho‚: dass der ‚Back in Black‚-Produzent unter anderem bereits auch in den Diensten von Lady Gaga, Nickelback, Shania Twain oder Foreigner stand, hört man ‚Drones‚ nicht nur hier an, wenn dem uninspirierte Minimal-Riff nur von den unterirdischen „Your ass belonge to me„-Texten Einhalt geboten wird.
Überhaupt die Lyrics der Platte: Weniger grottig bzw. zumindest plakativ tumb als auf ‚Psycho‚ wird das Konzeptwerk ‚Drones‚ diesbezüglich rund um seine wirre Story nur selten. Man muss sich eben damit abfinden, dass Matthew Bellamy abermals mit ermüdendem Volkschulvokabular den Vorschlaghammer als suspekter Verchwörungstheoretiker und plakativer Geschichtenerzähler schwingt, sich in dünnen Plattitüden ergeht, die dem Album die Tiefe seiner zugrunde liegenden Thematik das Wasser abgraben.
„From this moment/You will never be alone/We’re bound together/Now and forever/The loneliness has gone“ singt Bellamy also theatralisch hölzern in ‚Aftermath‚ und gibt damit einer als Powerballade gemeinten, aber im Grunde bocklangweiligen Bagatelle (mit sehr feinen 2 Minuten am Beginn, die vieles in Aussicht stellen, was ‚The Endless River‚ nicht sein konnte) den Todesstoß, die als mit viel Streicherkitsch zusammengeklebtes Amalgam aus U2 (‚One‚), Dire Straits, Blackfield und Jonny Buckland-Solo vor Schmalz nur so triefend aber auch den einzigen waschechten Rohrkrepierer einer ansonsten erstaunlich starken zweiten Albumhälfte stellt.
Gut – den abschließenden (zu langen) Outro-Choralgesang des Titelstücks hätte es nicht unbedingt gebraucht. Weil die 10 minütige Prog-Oper ‚The Globalist‚ zuvor platziert ‚Drones‚ bereits sauber und versöhnlich nach Hause gespielt hätte, indem sie sich erst grandios stimmungsvoll durch einen staubigen Morricone–Western pfeift um Dave Gilmour und Pink Floyd zu finden, dann mit einer wilden Abfahrt den Bogen zu ‚Showbiz‚ aus Opeth-Sicht spannt und letztendlich (den Spannungsbogen etwas enttäuschend abschließend) zu gleichen Teilen ‚Bohemian Rhapsody‚ und vor allem die eigene Pianoelegie ‚United States of Eurasia‚ zitiert.
Dass die Formkurve 3 Jahre nach ‚The 2nd Law‚ wieder nach oben zeigt, liegt allerdings vor allem am überzeugenden Mittelteil der Platte: ‚Reapers‚ klaut sich die Drums von La Dispute (‚The Most Beautiful Bitter Fruit‚), packt darauf eine allumfassende, kuriose Zitatesammlung rund um ein potentielles Audioslave–Riff aus und prügelt sich danach mit viel Feuer, Flea-Bass und energisch verzerrten Vocals durch das gniddelnde Hybrid-Gitarrenarsenal am Grenzbereich von Tom Morello, Toni Iommi und Angus Young. ‚JFK’/’Defector‚ stompt dafür über ein größenwahnsinniges Riff hartnäckig zu einem herrlich überladenen inszenierten Queen-Gedächtnisrefrain. ‚Revolt‚ ist dagegen bereits ohnedies purer Konsenspop, bis Muse einen cheesy Bubblegum-Chorus für die nordamerikanischen Teenie-Formatradios auspacken: ein Hate it or love it-Stück mit polarisierender Grundausrichtung, an dem man so unkomplizierten wie ausgelassenen Spaß haben kann.
Am besten: Das überragende ‚The Handler‚ pumpt in gerade einmal viereinhalb Minuten mehr mitreißende Epik als die letzten 9 Jahre der gesamten Muse’schen Discographie, walzt schwerfällig zu einer hymnisch auf das Gaspedal tretenden furiosen Achterbahnfahrt und ist einfach großes Tennis.
Gerade wegen dieser Schwemme an starken Songs schmerzt der unnötige Ballast der wenigen Totalausfälle in einem Drumherum gespannten Bogen aus gehobener Muse’scher Songwriting-Durchschnittlichkeit, einer suboptimalen Produktion und der vom Gehirn schlicht irgendwann einfach ausgeklammerten Klischee-Lyrics um so mehr. Dennoch wächst ‚Drones‚ mit jedem Durchgang, auch zu einem auch auf skurrile Art unterhaltenden Werk, spannt qualitätstechnisch über weite Strecken gar den Bogen über ‚The Resistance‚ hinaus und lässt die entschlacktere Konzentration auf Gitarre, Bass, Schlagzeug, Synthies und Gesang die Formkurve des Trios klar nach oben korrigieren.
Was dann auch gar nichts mit der von bandeigener Hand torpedierten Erwartungshaltung zu tun hat – und höchstens ein bisschen mit der persönlichen Leidensfähigkeit als Fan, bis man sich mit den Gegebenheiten arrangiert hat: Die Reißleine wurde offenbar rechtzeitig gezogen, die Richtung stimmt endlich wieder.
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